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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Griechenland-Rettung

Bielefeld (ots)

Eigentlich hat der Bundestag am Mittwoch über ein Phantom abgestimmt - jedenfalls gemessen an den zahlreichen politischen Beschwörungen bis in die jüngste Vergangenheit. Danach dürfte es ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland gar nicht geben. Noch im Frühjahr hatte zum Beispiel Unionsfraktionschef Volker Kauder verkündet: »Wir denken an keine weiteren Programme.« Wer kürzlich noch so redete, der muss sich zwangläufig schwer damit tun, den eigenen Truppen binnen weniger Monate das glatte Gegenteil unterzujubeln. Kauders ungeschickte Drohungen haben am Ende noch mehr Widerstand provoziert. Mehr als jeder fünfte der anwesenden Unionsabgeordneten lehnte das Hilfspaket ab. Ist das nun ein Misstrauensbeweis gegen Angela Merkel? Noch nicht direkt. Große Regierungsmehrheiten erzeugen zuweilen einen Mangel an Selbstdisziplin. Dass dieser Mangel allerdings zum zweiten Mal hintereinander in kurzer Zeit so massiv ausfällt, muss für die Kanzlerin ein erstes Warnsignal sein. Mit der Zustimmung zu den Rettungsmilliarden bröckelt auch das System Merkel. Das Vertrauen in sie und ihre Autorität, ihre moderierende Art, die Eigenschaft abzuwarten, im Ungefähren zu bleiben und sich im geeigneten Moment auf die Seite der Mehrheit zu schlagen, wie es schon ihr Ziehvater Helmut Kohl meisterhaft verstanden hatte, stoßen zunehmend an Grenzen im eigenen Lager. Dort würde man ja gerne glauben, dass Merkels Weg für Griechenland richtig ist. Doch die Praxis wirkt zu mächtig, als dass man sie kollektiv ignorieren könnte. Mit jedem Hilfsprogramm hat sich die Lage in Griechenland verschlechtert. Vor allem aber: Die Griechen selbst sehen in den Rettungspaketen keine Hilfen, sondern eine Demütigung. Daran dürften auch die neuen Milliarden-Transfers nichts ändern. Anstatt sich endlich einzugestehen, dass Athen seine Schulden niemals wird zurückzahlen können, regiert einmal mehr der Selbstbetrug. Rund zwei Drittel der geplanten Unterstützung sind für Zinsen und Tilgung alter Kredite reserviert. Man macht also neue Schulden, um alte zu begleichen. Den Preis dafür zahlen die Griechen unter anderem mit Rentenkürzungen und einer Erhöhung der Unternehmenssteuern. Geld für dringend Investitionen bleibt auch mit dem neuen Hilfsprogramm aus. Kurzum, Merkels Irrweg wird unbeirrt weiter beschritten. Ihrer großen Popularität in den Umfragen hat das freilich nicht geschadet. Der Kanzlerin spielt in die Hände, dass das Jonglieren mit zweistelligen Milliardensummen eine ziemlich abstrakte Angelegenheit ist. Auch musste noch kein Bundesbürger wegen Griechenland auf irgendetwas persönlich verzichten. In Merkels Amtszeit wird das auch so bleiben. Ob es Verluste für Deutschland gibt,wird sich erst in ferner Zukunft bemerkbar machen. Merkel wird das nicht mehr ausbaden müssen - nachfolgende Generationen vielleicht schon.

Pressekontakt:

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Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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