Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Friedensnobelpreis
Bielefeld (ots)
Bisher hat sich Tunesien als einziges Land des vermeintlichen »Arabischen Frühlings« dagegen gewehrt, dass die friedliche Revolution in Diktatur, Chaos oder Krieg endet. Aber stabil ist es noch lange nicht. Der jüngste Terroranschlag auf Touristen hat einmal mehr gezeigt, dass die radikalen Kräfte noch nicht aufgegeben haben. Die meisten ausländischen IS-Kämpfer kommen aus Tunesien, und im Nachbarland Libyen machen sich Dschihadisten breit. Das verheißt nichts Gutes. In diesen Zeiten ist der Friedensnobelpreis für die vier Organisationen, die maßgeblichen Anteil an der Beruhigung der innenpolitischen Lage hatten, ein gutes und wichtiges Zeichen. Erstens wird die Weltöffentlichkeit darauf hingewiesen, welche wichtige Arbeit hier im Kampf gegen den weltweit vordringenden Islamismus geleistet wurde und wie fragil die Situation noch immer ist. Vielleicht hilft diese Entscheidung auch den Europäern auf die Sprünge. Sie müssen ihre Anstrengungen zur Stabilisierung der Region entschieden verstärken und Sarkozys Konzept der Mittelmeerunion neu beleben, das seinerzeit auch Deutschland ausgebremst hat. Tunesien, mit Abstrichen auch Marokko und Algerien, sind Anker, an die man ansetzen kann, ja muss. Mit massiver Wirtschaftshilfe, mit politischem und gesellschaftlichem Austausch, mit legalen Zugängen der Menschen auf europäische Bildungseinrichtungen und Arbeitsmärkte, auch mit Geld. Das gilt gerade jetzt, wo feige Attentäter den Tourismus lahm gelegt haben. Zweitens ist die Auszeichnung ein Signal, dass ein nationaler Aussöhnungsprozess letztlich nicht mit Waffengewalt erzwungen werden kann, sondern nur durch Gespräche. Das Beispiel kann auch für Afghanistan gelten, für Libyen und Ägypten. Irgendwann vielleicht sogar für das umkämpfte Syrien. Das tunesische Quartett hat eine Blaupause dafür geliefert, wie selbst in einem islamisch dominierten Staat Demokratie möglich sein kann, inklusive der Frauenrechte. Voraussetzung ist freilich Kompromissbereitschaft auf allen Seiten, der Säkularen wie der Religiösen, der Linken wie der Rechten, der Gewerkschaften wie der Arbeitgeber. Die Ehrung kommt zum exakt richtigen Zeitpunkt. Fluchtursachen müssen in der Heimat bekämpft werden. Wenn alle Staaten in Nordafrika und Nahost so wären wie Tunesien, gäbe es den Flüchtlingsstrom nicht. Auch nicht, wenn der Westen früher aufmerksamer gewesen wäre und die Länder nach dem arabischen Frühling nicht so allein gelassen hätte. Angela Merkel, die wegen ihrer verdienstvollen Bemühungen um den Frieden in der Ukraine und wegen ihres Umganges mit den Flüchtlingen in diesem Jahr ebenfalls als Preisträgerin vorgeschlagen war, war da übrigens auch nicht weitsichtiger als alle anderen in Europa.
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