Westfalen-Blatt: zur Sterbehilfe
Bielefeld (ots)
Sterben sollen besser die anderen. In Deutschland ist der Tod das größte Tabu. In einer vom Jugendwahn gekennzeichneten Gesellschaft, in der alte Menschen nicht alt genannt werden wollen und die Werbung Vitalität bis zum Schluss verspricht, ist Sterben schlicht nicht vorgesehen. An Allerheiligen und am Totensonntag werden wir dann doch mit der Endlichkeit von Leben konfrontiert - und verdrängen diese Erkenntnis schnell wieder. Patientenverfügungen? Darüber möchte niemand gern nachdenken. Wer danach gefragt wird, wie er sterben möchte, antwortet meist: ohne Schmerzen friedlich im Schlaf. Die Realität sieht leider oft anders aus. Manchmal werden die letzten Wochen und Monate zur Qual und der Tod erscheint schließlich wie eine Erlösung. Wie den Menschen am Lebensende geholfen werden kann und wer das darf, darüber entscheidet heute und morgen der Bundestag. Den Königsweg für die letzte Lebensetappe gibt es nicht, sehr wohl aber Irrwege. Dazu gehört die gewerbsmäßig betriebene Sterbehilfe in Form von Vereinen. Der Tod Schwerkranker darf nicht zum profitablen Geschäft werden. Die Existenz solcher Vereine kann auf Patienten, die noch am Leben hängen, erheblichen Druck auslösen - in der Form, dass die fragwürdigen Dienste in Anspruch genommen werden, um den Angehörigen nicht länger »zur Last zu fallen«. Geschäftsmäßige Suizidbeihilfe sollte gesetzlich verboten werden, nicht nur die von Vereinen, sondern auch die von Personen, also auch von Ärzten, die sich als Handlanger des Todes empfehlen. Dieser Vorschlag der Parlamentariergruppe um Kerstin Griese (SPD) ist sinnvoll, weil er Angehörige und nahestehende Personen vor Bestrafung schützt. Der Bundestag muss die Frage beantworten, ob Ärzte das Sterben nur begleiten, sondern generell den Tod auch in Form des assistierten Suizids herbeiführen dürfen. Eine Freigabe wäre ein weiterer Irrweg. Sie würde im Widerspruch zum ärztlichen Standesrecht stehen und die Mediziner in Gewissensnöte stürzen. Menschen sollten nicht durch die Hand, sondern an der Hand eines anderen sterben, sagte der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler. Er hat recht. Ärzte sollten bei der Palliativversorgung ihre ganze Kompetenz einbringen, damit Todkranke die Schmerzen ertragen. Ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung dürfe nicht zum Normalfall werden, warnte der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, in der Talkshow »Hart aber fair«. Sterben ist hart und nicht immer fair, weil auch junge Menschen manchmal viel zu früh gehen müssen. Ihnen den Abschied durch eine bessere Palliativversorgung und ein dichtes Netz von Hospizen zu erleichtern, ist besser, als dem assistierten Suizid den Weg zu bahnen.
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