Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Steinbachs Parteiaustritt
Bielefeld (ots)
Für den Bruch mit ihrer Partei hat sich Erika Steinbach ziemlich viel Zeit gelassen. Und den Mut der Verzweiflung musste die 73-Jährige acht Monate vor dem regulären Ende ihrer politischen Karriere auch nicht aufbringen. Während ihr Risiko bei Null liegt, versucht sie nach Kräften, den Schaden für die CDU und allen voran für Kanzlerin Angela Merkel persönlich zu maximieren. Nein, ein stiller Abgang sollte es nicht werden. Und ein Abgang mit Stil, wie ihn Wolfgang Bosbach überzeugend praktiziert, kann es nicht mehr werden. Im Gegenteil: Erika Steinbach ging es um den größtmöglichen Knall - Wahlempfehlung für die AfD inklusive. Und der Coup ist ihr gelungen. Das dröhnende Schweigen der CDU-Granden spricht Bände. Steinbachs Abgang kommt für die Christdemokraten zur Unzeit - im Wahljahr 2017 erst recht. Es ist der hohe Symbolgehalt, der diesem Parteiaustritt besondere Brisanz verleiht. Als Mitglied des Bundes- und des Fraktionsvorstandes ist Steinbach alles andere als eine Hinterbänklerin. Vor allem aber stand sie bis zuletzt geradezu prototypisch für die immer kleiner gewordene Gruppe von CDU-Parlamentariern, die »konservativ« genannt wird. Wobei diese Zuschreibung generell schon reichlich unscharf ist. Und ob sie für Steinbach speziell überhaupt zutrifft, ist noch eine andere Frage. Insbesondere als Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) hat Steinbach über Jahre hinweg ihr Profil geschärft. Dass sie schon lange mit dem Kurs von Angela Merkel haderte, ist hinlänglich bekannt. Der Streit um die Flüchtlingspolitik war in diesem Prozess der nachhaltigen Entfremdung bloß der Schlusspunkt - wenn auch ohne Zweifel ein riesengroßer. Dass Steinbach ihr Mandat behält, ist dennoch ihr gutes Recht. Auch wenn der Generalsekretär der hessischen CDU, Manfred Pentz, das anders sehen mag. Und auch die drastischen Worte, die der Frankfurter CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer in seinem Offenen Brief für Erika Steinbach findet, sind wenig hilfreich. Da ist vom »Ladenschluss einer politischen Karriere« und dem »Absingen schmutziger Lieder« die Rede. Wer aber schlechten Stil rügen will, sollte besser nicht in der selben Tonlage antworten. Die Christdemokraten sind vielmehr gut beraten, sich auf die wesentlichen Fragen zu besinnen. Wie kann der Begriff »konservativ« positiv definiert werden? Und wie können die - im besten Sinne des Wortes - konservativen Menschen zurückgewonnen werden, die sich zuletzt von der CDU abgewendet hatten. Denn wenn die Partei dauerhaft Mehrheiten gewinnen will, kann sie das womöglich ohne konservative Abgeordnete, aber kaum ohne die vielen Wähler, die konservativ sind - egal, ob diese sich selbst so nennen würden oder nicht.
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