Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Gedenktag der Opfer des Holocaust
Bielefeld (ots)
Seit 1996 wird in Deutschland am 27. Januar der Opfer des Holocaust gedacht. Das sollte nie Routine sein. Und leider sorgen Rechtsextreme, Populisten, Ewiggestrige und Islamisten dafür, dass sich keine Routine einstellen kann. Die Erinnerung an die Ermordung der Juden in Europa ist kein Gedenktag wie jeder andere. Und in diesem Jahr schon mal gar nicht. Zu frisch sind die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen, die uns zeigen, wie wichtig und notwendig das Gedenken ist. Selbsternannte »Reichsbürger« sollen Anschläge auch auf Juden geplant haben. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke hetzt gegen die deutsche Erinnerungskultur. Etwas länger zurück liegt die Anfrage eines Dortmunder Ratsherrn der Partei »Die Rechte«: Er wollte wissen, wie viele Menschen jüdischen Glaubens in Dortmund leben - und wo, nach Stadtbezirken aufgegliedert. Hinzu kommen Anfeindungen und Übergriffe von Muslimen, denen sich Juden in Deutschland ausgesetzt sehen. Wer sich öffentlich als Jude zu erkennen gibt, geht ein Risiko ein. So wurde auf Fehmarn ein Franzose, der auf dem Kopf eine Kippa trug, von zwei Flüchtlingen beschimpft und ausgeraubt. Salomon Korn, langjähriger Vizepräsident des Zentralrats der Juden, macht sich Sorgen, weil viele Flüchtlinge in einem Umfeld von Antisemitismus und eines islamischen Missionierungsbedürfnisses groß geworden seien. Korns Vergleich ist heftig: »Die Kinder in den arabischen Ländern werden indoktriniert wie die Kinder im Dritten Reich.« Unter die zwölf dunkelsten Jahre deutscher Geschichte wollen 58 Prozent der Bundesbürger einen Schlussstrich ziehen. Das ergab eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz. Demnach möchten 81 Prozent der Befragten das Thema Judenverfolgung »hinter sich lassen«. Das ist alarmierend und deshalb mehr als Grund genug, in jedem Jahr den 27. Januar öffentlich vernehmbar ins Bewusstsein zu rücken. Joachim Gauck hat es so auf den Punkt gebracht: »Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz.« Das müssen alle wissen, die hier leben und zu uns kommen. Das ist am Ende der Lackmustest für gelungene und glaubwürdige Integration in unsere Gesellschaft. Wer sich als Deutscher nicht so recht zu einer Leitkultur bekennen will, zieht sich oft auf den Verfassungspatriotismus zurück. Ohne den Holocaust wäre das Grundgesetz ein anderes geworden. Vor allem Paragraph 16a, der das Asylrecht regelt, ist eine direkte Folge der Judenvernichtung. Daran müssen wir immer denken. Nicht nur an einem 27. Januar.
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