Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum NRW-Wahlkampf
Bielefeld (ots)
Schon nach dem Erfolg im Saarland konnte sich die Kanzlerin ein paar kleine Bosheiten nicht verkneifen. Wenn das der Schulz-Effekt sei, sagte Merkel hämisch, können wir damit gut umgehen. Den kleinen Sticheleien folgte beim Wahlkampfauftakt der nordrhein-westfälischen CDU in Münster fast schon der Frontalangriff. Die sonst so besonnene und zurückhaltende CDU-Chefin holte zum Rundumschlag gegen Rot-Grün, Martin Schulz, Hannelore Kraft und Ralf Jäger aus. Merkels Offensivgeist mag darin begründet sein, dass Armin Laschet nicht gerade zu den Politikern gehört, der eine Halle zum Vibrieren bringen kann. Weil von ihm alleine kein starkes Signal zu erwarten ist, muss Merkel selbst ran, auch wenn sie sich eigentlich für die Abteilung Attacke nicht wirklich zuständig sieht. Ganz gewiss hat Angela Merkel sich die NRW-Regierung vorgeknöpft, weil deren Bilanz schlechter nicht sein kann. Allein schon Hannelore Krafts enger Vertrauter, Ralf Jäger, bietet reichlich Gründe, warum Rot-Grün abtreten müsste. Kein anderer deutscher Innenminister hat eine vergleichbare Zahl von Skandalen und Affären zu verantworten wie er. In seine fast siebenjährige Amtszeit fallen die massiven Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht 2015 und das Versagen im Fall Anis Amri. Bis heute hat Jäger sich geweigert, dafür die Verantwortung zu übernehmen. Bis heute hat ihn Hannelore Kraft nicht aus dem Verkehr gezogen und sich somit selbst angreifbar gemacht. Jäger ist eine der großen Schwachstellen der SPD in NRW. Der Innenminister, der von Amts wegen für Sicherheit sorgen sollte, verunsichert die Menschen. In NRW passieren 38 Prozent der Wohnungseinbrüche in Deutschland - bei einem Bevölkerungsanteil von »nur« 22 Prozent. Darüber hinaus reichen die Versäumnisse der Kraft-Regierung von einer schlechten Finanzpolitik mit einer Neuverschuldung im Jahr 2017, die höher ist als in allen anderen Bundesländern zusammen, bis hin zur fehlenden Wirtschaftsdynamik im einstmals absolut führenden Industrieland der Bundesrepublik. Einen vorzeigbaren Erfolg hat Rot-Grün nicht. So ist wenig überraschend, dass die SPD bei ihrem Wahlkampfauftakt auf den Schulz-Effekt setzt. Der hat schon im Saarland nicht funktioniert. Erschwerend hinzu kommt für Rot-Grün, dass die FDP eine Ampelkonstellation ausgeschlossen hat und sich die Grünen aktuell nur bei sechs Prozent befinden. Die Koalition wirkt am Ende. Auch in Umfragen hat sie keine Mehrheit mehr. Da von einer echten Wechselstimmung aber keine Spur ist, riecht es nach einer Großen Koalition - wenngleich in sechs Wochen noch viel passieren kann.
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