Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Wahl in Schleswig-Holstein
Bielefeld (ots)
Wenn an diesem Sonntag in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt wird, gibt es für die SPD mehr zu verlieren als zu gewinnen. Sie stellt den Ministerpräsidenten ja schon. Sollte der in Bielefeld aufgewachsene Torsten Albig aber keine Mehrheit für eine neue Koalition an der Küste zusammenbekommen, wäre das ein herber Rückschlag für die Sozialdemokraten - sowohl mit Blick auf die Wahl eine Woche später in Nordrhein-Westfalen als auch im Vorfeld der Bundestagswahl im Herbst.
Welche emotionale Wirkung Erfolg und Misserfolg für die politische Stimmung und die Wahlkämpfer haben können, hat zuletzt erst die Wahl im kleinen und bundespolitisch eher unbedeutenden Saarland gezeigt. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass mit Albig und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft jetzt ausgerechnet zwei Sozialdemokraten den zuletzt empfindlich ins Stocken geratenen Schulz-Zug wieder anschieben sollen, die sich einst eindeutig für Sigmar Gabriel als Kanzlerkandidaten ausgesprochen hatten.
Möglich scheint in Schleswig-Holstein beinahe alles - auch weil die Parteien anders als in Nordrhein-Westfalen viel weniger Bündnisse ausgeschlossen haben. Sechs Konstellationen scheinen rechnerisch denk- und politisch machbar: die Fortsetzung der amtierenden Koalition aus SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW), die Küstenampel ergänzt um die FDP, eine Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen, ein Jamaika-Bündnis mit CDU, FDP und Grünen, eine SPD-geführte Große Koalition und eine CDU-geführte Große Koalition. Was verwirrend vielfältig klingen mag, ist durchaus vernünftig. Denn allem Anschein nach kann es in Kiel eine ganz knappe Kiste werden. Womöglich werden am Sonntag wenige Zehntelpunkte über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Die breite Anschlussfähigkeit der Parteien untereinander und die pragmatische Sachlichkeit, mit der die Auseinandersetzungen allen programmatischen Unterschieden zum Trotz geführt werden, sind angesichts der Skandale, die Schleswig-Holstein einst erschüttert haben, mehr als bemerkenswert. Die Barschel-Affäre, der Heide-Mord und die abgrundtiefe Feindschaft zwischen Peter Harry Carstensen und Ralf Stegner - all das war einmal.
Auch die amtierende Koalition - mit zwei bärenstarken Grünen-Ministern - hat weitgehend geräuschlos gearbeitet und fast alle ihre Wahlversprechen realisiert. Erstaunlich, dass ihr der Sieg nun dennoch alles andere als sicher ist.
Und noch erstaunlicher angesichts einer krisengeplagten CDU, die seit 2010 fünf Landesvorsitzende brauchte und noch im November den Spitzenkandidaten wechselte. Erst als Ingbert Liebing verzichtete, rückte Daniel Günther auf die Bühne. Trotzdem könnte es sein, dass am Sonntagabend die halbe Republik fragt: »Daniel ... Wer?«
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