Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Merkel
Bielefeld (ots)
Wer sich fragt, warum Angela Merkel trotz eines miserablen Wahlergebnisses und gescheiterter Jamaika-Sondierungen immer noch so unangefochten dasteht, konnte am Wochenende wichtige Erkenntnisse gewinnen. Das Fazit daraus: Offenkundig kann sie Schlappen deutlich schneller verarbeiten als die Konkurrenz. So nutzt die geschäftsführende Kanzlerin prompt die Vorarbeit des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und macht Druck auf die Sozialdemokraten, sich endlich für eine neue Große Koalition zu öffnen. Gerade so, als wolle sie der SPD vorwerfen, was vor allem ihr vorzuwerfen ist - nämlich, dass seit der Bundestagswahl am 24. September schon genug Zeit verplempert wurde. Was für ein Kontrast zu Martin Schulz, der sich bei seinem Selbstfindungskurs immer mehr zu verlieren scheint. »Ich strebe keine Große Koalition an! Ich strebe auch keine Minderheitsregierung an und kein Kenia, auch keine Neuwahlen!«, ließ der SPD-Chef jetzt wissen. »Ja, was denn dann?«, fragt man sich unweigerlich. Doch seine Ergänzung, er wolle eine Diskussion darüber, »wie wir das Leben der Menschen jeden Tag ein Stück besser machen«, liefert darauf keine Antwort. Auch bei den Inhalten schafft Merkel Fakten, noch bevor sich CDU, CSU und SPD am Donnerstag im Schloss Bellevue erstmals offiziell treffen. Ein ausgeglichener Haushalt und Änderungen beim Solidaritätszuschlag müssten »Leitschnur bei der Regierungsbildung« sein. Und schon hat die SPD wieder die schwarze Null vor der Nase, über die sie sich schon in den vergangenen vier Jahren so oft geärgert hat. Was nur deutlich macht: Angela Merkel scheint sich ihrer Sache sehr sicher zu sein. Vielleicht aber kann die Kanzlerin ihre Unsicherheit auch einfach nur gut verbergen. Denn was wäre eigentlich, wenn es die Sozialdemokraten nicht bei ihrem jetzt schon milliardenteuren Wunschzettel beließen? Was, wenn die SPD auch noch sagte, dass sie zwar inhaltlich zu Kompromissen bereit und eine neuerliche Große Koalition sehr wohl möglich sei, aber eben nur ohne Angela Merkel? Gewiss, die CDU/CSU würde das empört ablehnen müssen. Doch die Debatte wäre in der Welt - was für das Innenleben der Union Folgen hätte, für eine Neuwahl aber erst recht. Und als Alternative bliebe der Union dann tatsächlich nur die Minderheitsregierung, die Angela Merkel nicht will und die sie aus gutem Grund fürchtet. Zum einen, weil diese nicht die Stabilität verspricht, die international von Deutschland erwartet wird, und zum anderen, weil sie so gar nicht zu Merkels Regierungsstil passt. Werben um die Mehrheit für jede einzelne Entscheidung? Das erfordert eine Politik, die weiß und auch erklärt, wohin sie will, und nicht nur eine, die reagiert auf das, was kommt.
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