Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Ostern
Bielefeld (ots)
Viel ist zuletzt darüber gestritten worden, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht. Vehemenz und Ertrag der Debatte standen dabei in einem eklatanten Missverhältnis. Die Diskussion blieb fruchtlos. Was schon allein daran liegt, dass die Zuschreibung »Der Islam gehört zu Deutschland« und ebenso die dazugehörige Antithese »Der Islam gehört nicht zu Deutschland« viel zu ungenau sind, um darauf die eine unumstößliche Antwort geben zu können. Denn es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man die Sätze deskriptiv oder normativ verstanden wissen will - also als Zustandsbeschreibung oder als (zu erreichenden) Zielzustand. Unstrittig in all dem Streit war jedoch, dass dieses Land, dass unsere Gesellschaft und unser Wertesystem christlich-jüdische Wurzeln haben. Was also läge näher, als das Osterfest zu nutzen, um eine Diskussion darüber anzustoßen, was dieses christlich-jüdische Fundament im Jahr 2018 konkret bedeutet? Oder zeitgemäß zugespitzt: Gehört das Christentum noch zu Deutschland? Wir hören aber nur, dass wir nichts hören. Schweigen allüberall. Warum bloß? Ist die Frage so dumm - oder ist sie uns doch eher unangenehm? Gewiss, wir leben in einem säkularen Land, in dem niemand zur Auseinandersetzung mit, geschweige denn zur Ausübung egal welcher Religion gezwungen ist. Doch dürfte es kein Zufall sein, dass eine Selbstvergewisserung schwerer zu fallen scheint als die Abgrenzung von dem, was nicht dazu gehört oder nicht dazu gehören soll. Es kommt nicht von ungefähr, dass Ostern als das höchste christliche Fest bei weitem nicht die Strahlkraft hat, wie es die Weihnachtsfeiertage haben. Vielleicht ist die Botschaft vom Tod und der Auferstehung Jesu einfach zu unerhört - oder sprichwörtlich: unglaublich. Während sich an Heiligabend auch jene in Scharen auf den Weg in die ansonsten landauf, landab doch ziemlich leeren Kirchen machen, die es sonst nicht tun, bleibt Ostern für die meisten bloß ein extralanges Wochenende, von dem man nicht so recht weiß, warum am Karfreitag nicht gefeiert und getanzt werden soll. Dabei hat uns gerade die Liturgie der Osterfeiertage einiges zu sagen. Vor allem das Karfreitagsgeschehen erinnert daran, dass der Gott, an den die Christen glauben, kein Gott ist, der sich über die Menschen erhebt, sondern einer, der ihnen seinen Sohn geschickt - ja, sogar ausgesetzt hat. Jesus auf dem Kreuzweg, Jesus allein und am Kreuz - besonders die bedrückenden Bilder des Karfreitags sind es, die all jene, die sich auf die christlich-jüdischen Wurzeln berufen, auch heute noch auf den Dienst am Nächsten verpflichten. Egal, ob sie Christ sind oder nicht - egal, ob sie gläubig sind oder nicht. Aber: Leben wir danach? Das wäre gewiss auch eine Debatte wert - an Ostern und darüber hinaus.
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