Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Missbrauchsstudie
Bielefeld (ots)
Eine der bedrückendsten Aussagen des Leiters der Missbrauchsstudie umfasst nur vier Worte: »Das Risiko besteht fort.« Allein für diese Erkenntnis hat sich der Aufwand gelohnt. Wenn die katholische Kirche zum Wandel bereit ist, lässt sich für die heutigen Schutzbefohlenen vielleicht noch Schlimmes verhindern. Dazu gehören aber all die quälenden Fragen, die die Institution seit Jahren vor sich her schiebt. Die Fragen nach dem Zölibat, nach der Sexualmoral, nach der Haltung zur Homosexualität und nach den Machtstrukturen in den Bistümern. Doch neben der Vorbeugung muss auch die Aufarbeitung vorangetrieben werden. Zu den Beschränkungen der Untersuchung »Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz« ist schon viel gesagt worden: kein Zugriff auf Originalakten, Abhängigkeit von der Mitwirkung der Bistümer, Orden nicht untersucht usw. Dennoch ist richtig: Hinter ihre Ergebnisse kann niemand mehr zurück, zumal sich die Einsicht verbreiten dürfte, dass die ermittelten Fälle wohl nur die Spitze des Eisbergs sind, wie es gestern hieß. Kardinal Reinhard Marx sagte, dass er sich schäme. »Allzu lange haben wir in der Kirche weggeschaut, vertuscht, geleugnet, wollten es nicht wahrhaben.« Dieses Eingeständnis ist ehrenwert. Aber es sind eben doch nur Worte; und mehr oder weniger deutliche Worte des Bedauerns haben katholische Würdenträger in den vergangenen Jahren schon viele gefunden. Es kommt darauf an, was folgt. Geht die Kirche in allen Bistümern auf die Opfer zu und auf ihren Wunsch nach Gerechtigkeit ein? Werden Namen genannt, wer missbrauchte und wer vertuschte, so dass sich vielleicht auch weitere Opfer trauen, über ihr Schicksal zu sprechen - damit sie es endlich verarbeiten können? Bisher dauert es oft Jahrzehnte, bis Betroffene sich offenbaren. Der Abschlussbericht umfasst 366 Seiten. Er ist auf der Homepage der Bischofskonferenz dbk.de zu finden. Um seine Tragweite einordnen zu können, betrachte man eine Zahl: Bei Diözesanpriestern betrug der Anteil der des Missbrauchs Beschuldigten 5,1 Prozent. Jeder Zwanzigste. Da gibt es noch viel aufzuklären.
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