Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Politik und Ernährung
Bielefeld (ots)
Wer jemals versucht hat, mit seinen von Heißhunger auf Fruchtgummis, Döner oder Hamburger geplagten Kindern eine Diskussion über gesunde Ernährung zu führen, weiß, wie schwierig das sein kann. Das galt allerdings zumindest früher mal auch für Gespräche mit notorischen Rauchern über die Schädlichkeit von Nikotin. Letzteres hat sich spätestens mit den Schockbildern auf Zigarettenpackungen weitgehend erledigt. Ganz so klar ist die Sache beim Essen nicht. Der Mensch kann zwar auf Genuss-, nicht aber auf Lebensmittel verzichten. Und dazu gehören nun mal Zucker, Salz und Fett. Nur zuviel davon schadet. Was allerdings ist zuviel? Die Ärzte wissen es. Politiker wissen es. Die Wirtschaft weiß es. Die Verbraucher sollten es wissen. Das war die Idee hinter der Forderung nach Einführung einer »Ernährungsampel«. Sie sollte am Produkt anzeigen, ob etwa der Zuckergehalt gemessen am empfohlenen Tageskonsum unbedenklich (grün), erträglich (gelb) oder schon zu hoch (rot) ist. Die Idee scheiterte vor allem am Widerstand der Wirtschaft, die fürchtet, niemand würde noch ein Produkt kaufen, von dessen Verpackung ein rotes Warnlicht blinkt. Doch ein Bonbon oder Schokolade sind nun mal anders zu bewerten als Joghurt, Puddingcreme, Müsli oder noch andere Fertigspeisen, bei denen der Normalkäufer den Nährstoffgehalt in der Regel eher falsch einschätzt. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Und auf den Tisch kommt, was an Fertiggerichten den Kunden im Supermarktregal am meisten ins Auge sticht. Das sollte aus Sicht des Kunden okay sein, so lange der Verpackung genau zu entnehmen ist, wie sich der Inhalt zusammensetzt - in verständlichem Deutsch und in lesbar großer Schrift. Dann braucht es die Lebensmittelampel nicht. Ob jemand zu viel Fett, Salz oder Zucker isst, hängt außer von der Zusammensetzung der Nahrungsmittel vor allem von der Menge ab. Diese Entscheidung kann und sollte niemand dem Käufer abnehmen. Eine Tiefkühlpizza durch Gesetz zu verkleinern ist eine ziemliche Schnapsidee - und deshalb nicht Teil von Klöckners Maßnahmenpaket. Wer Hunger hat, würde einfach zwei Pizzen essen. Nichts wäre gewonnen, nur mehr Verpackung erzeugt. Der Appell an den mündigen Verbraucher ist richtig. Dass er heute fast von Kindesbeinen an auf den Einheitsgeschmack von Fertiggerichten geeicht wird, ist schwer umkehrbar. Was aber in dieser Hinsicht getan werden kann, sollte geschehen. Dazu gehören das Verbot von Zuckerzusätzen in wesentlichen Säuglingsnahrungsmitteln genau so wie das gesunde, trotzdem schmackhafte Essen im Kinderhort oder in der Schule. Zu teuer? Alles eine Frage der Priorität - nicht nur der Eltern, sondern auch des Staates, der hier eine vernünftige Sache stärker subventionieren muss.
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