Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum OECD-Bericht
Bielefeld (ots)
Wenn die soziale Herkunft noch immer in erheblichem Maße den Bildungserfolg bestimmt, dann ist das für eine soziale Demokratie wie Deutschland ein Armutszeugnis. Daran gibt es angesichts des jüngsten OECD-Berichts nichts zu deuteln, auch wenn der nur Daten aus dem Jahr 2015 neu auswertet. Wahr ist aber auch: Es ist schon vieles besser geworden. Die soziale Schere im Bildungssystem hat sich so stark geschlossen wie in keinem anderen von der OECD untersuchten Industrieland. Die massiven Anstrengungen vom Kita-Ausbau bis hin zum vermehrten Ganztagsunterricht waren also nicht vergebens. Und: Vergleiche mit besonders gut benoteten Ländern wie Estland und Finnland sind eben nur bedingt zulässig, weil dort der Anteil zugewanderter Kinder und damit der Integrationsbedarf an Schulen deutlich geringer ist. Wie Deutschland noch besser werden kann, darüber sind sich die Fachleute längst einig. Brennpunktschulen benötigen eine bessere personelle Ausstattung nicht nur an Lehrkräften, sondern auch an Sozialpädagogen und Familienhelfern. Auch für die Integration von Flüchtlingskindern müssten weitaus mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Viele Schulen fühlen sich da im Stich gelassen. Doch nicht nur an den Schulen gibt es noch einiges zu tun. Das System zur Studienunterstützung muss dringend reformiert werden. Derzeit sind die Bafög-Zahlungen an oftmals unrealistisch kalkulierte Regelstudienzeiten gebunden. Das führt dazu, dass Absolventen aus weniger begüterten Familien gerade in der entscheidenden Studienphase in Geldnot geraten. Bestenfalls verzögert sich dadurch nur der Abschluss, weil mehr Zeit für Jobs zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgewendet werden muss. Schlimmstenfalls wird das Studium aus finanziellen Gründen abgebrochen. Das ist nicht nur bitter für die Betroffenen, sondern auch volkswirtschaftlicher Unsinn. Die Mängel sind benannt, mögliche Auswege ebenfalls. Nun müssen Schulen und Politik auf diesem Weg auch gemeinsam vorangehen. Doch wollen sie das auch? Angesichts der seltsam leise gewordenen Bildungsdebatte in Deutschland muss man daran Zweifel haben.
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