Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielfeld) zum CDU-Vorsitz
Bielefeld (ots)
Jens Spahn konnte nicht anders. Im Rennen um den CDU-Vorsitz muss der Bundesgesundheitsminister an Boden gewinnen, sonst geht er beim Bundesparteitag in Hamburg am 7. Dezember chancenlos in die Abstimmung. Derzeit deutet vieles auf einen Zweikampf zwischen Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer hin. Und wenig spricht dafür, dass sich daran etwas ändert. Spahn muss also angreifen, wenn er den Trend drehen und es in die Stichwahl schaffen will. Aus seinen Worten klingt Enttäuschung. Der Münsterländer ist enttäuscht darüber, dass die Parteivereinigungen, die er als Basis zu haben glaubte, mehrheitlich nicht hinter ihm stehen, sondern hinter Merz. Das trifft sogar auf die Junge Union zu, die eigentlich als Spahn-Fanclub gilt. Und auf CDU-Politiker, die er in vielen Wahlkämpfen unterstützt hat und die jetzt ihrerseits Merz unterstützen. Was den beiden CDU-Männern gemein ist: Sie sind konservativ, und sie sind Westfalen. Und da hört es auch schon auf. Merz ist Marktwirtschaftler, während Spahn als Gesundheitsminister die Sozialpolitik für sich entdeckt hat und mit der Erhöhung der Pflegebeiträge den Fürsorgestaat ausbaut. Wenn man so will, treffen da Ludwig Erhard und Norbert Blüm aufeinander. Dass der 38-Jährige Annegret Kramp-Karrenbauer wegen ihrer Haltung zur Ehe für alle angreift, ist aus persönlichen Gründen nachvollziehbar. Politisch-strategisch allerdings nicht. Besonders in der ostwestfälischen CDU weiß man, dass die Durchsetzung der Ehe für alle so kurz vor der Bundestagswahl zwei Direktmandate gekostet hat. Nämlich dort, wo viele Russland-Deutsche leben: in Bielefeld und im Kreis Minden-Lübbecke. Jens Spahn ist so konservativ, wie Guido Westerwelle liberal war. Homosexuelle werden im politischen Geschäft wegen ihrer sexuellen Orientierung nicht geschont - schon gar nicht vom linken Milieu, das sich als sicherer Hort für Minderheiten aller Art begreift, aber beim politischen Gegner keine Rücksicht nimmt. Ob Spahn, der wegen seines Ehrgeizes nicht besonders sympathisch wirkt, aus der Position des Außenseiters ein Überraschungssieg gelingen kann, hängt von seinen Auftritten bei den acht Regionalkonferenzen ab - die erste ist heute in Lübeck - und von der Choreographie des Parteitags ab. In der Messe Hamburg können sich Eigendynamiken entwickeln, die niemand vorhersagen kann. Da geht es um die Reihenfolge, in der die Kandidaten ihre Reden halten, und Stimmungen im Saal. Und die können wuchtige Rhetoriker wie Merz und Spahn eher steuern als die sachliche, aber nicht unemotionale Kramp-Karrenbauer. Die Saarländerin ist die Kandidatin des Establishments, der Sauerländer der Kandidat der Parteibasis. Wessen Kandidat will der Münsterländer sein?
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