Westfalen-Blatt: ein Kommentar zum Bundeshaushalt
Bielefeld (ots)
Ein monatelanges Hauen und Stechen ist zu erwarten, wenn Finanzminister Olaf Scholz (SPD) heute den Gürtel enger schnallt und die Finanzplanung bis 2023 vorstellt. Die fetten Zeiten sind vorbei. Bis zum Spätherbst dürfte der Streit um die wieder kürzere Decke anhalten. Dabei drohen im Konflikt zwischen mehr Grundrente auch ohne Bedürftigkeit und Militärausgaben nach Maßgabe eines maßlosen US-Botschafters wichtige weitere Posten unterzugehen: Fluchtursachenbekämpfung, Entwicklungshilfe und Integration von Flüchtlingen. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) schlägt zu Recht Alarm. Sein Etat soll eingefroren werden und bis 2023 bezogen auf einst zugesagte Quoten sieben Milliarden Euro verlieren. Die wirklich Ärmsten der Armen könnten einmal mehr am meisten verlieren. Plötzlich gilt die Zusage nicht mehr, dass der Anteil der Entwicklungsgelder an den Gesamtausgaben stabil bleibt. Auch das Ziel, endlich 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Aufgaben vom Klimaschutz bis zur Jobförderung in Fluchtländern einzusetzen, bleibt auf der Strecke. 2016 war es einmal gelungen, die internationale Selbstverpflichtung zu erfüllen - mit einem Buchungstrick. Denn: Die sogenannte ODA-Quote von 0,7 Prozent bezieht die Inlands-kosten für die Versorgung von Flüchtlingen mit ein. Deutschland hat dennoch Großes gerade in den kleinen und schwachen Ländern geleistet. Das Engagement darf nicht schon wieder erlahmen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnt zudem, dass die Integrationsmittel für die Kommunen halbiert werden könnten. Auch NRW-Landesvater Armin Laschet (CDU) fürchtet um die endlich wieder eingekehrte Normalität bei der Aufnahme Geflüchteter. Längst spürt Angela Merkel (CDU), wie riskant die Festschreibung von Quoten ist. Ob Militärausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttosozialprodukts auf Nato-Ebene zugesagt werden oder ein neuer Afrikafonds eine Milliarde in Aussicht stellt: Es ist gerade die deutsche Kanzlerin, die gegenüber den Entwicklungsländern auf Vertragstreue und gute Regierungsführung drängt. Ihre stete Mahnung bei internationalen Konferenzen ist bitter nötig, aber zugleich auch peinlich, wenn man sich selbst nicht daran halten sollte. Für den Klimaschutz fehlen nach den Planungen von Olaf Scholz schon bald 500 Millionen Euro. Das wäre dann noch so eine Vorlage, die die nächsten Schüler-Demos befeuert. In allen Fällen geht es um nicht eingelöste Versprechungen. Der SPD-Finanzminister hat jetzt nicht nur ein Problem mit Finanzlücken, sondern auch mit politischer Glaubwürdigkeit. Letzteres betrifft allerdings nicht seine alleinige Zuständigkeit. Die gesamte Große Koalition muss schon bald zeigen, ob sie auch mit weniger Geld noch Politik machen kann.
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