Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Grünen in Europa
Bielefeld (ots)
Der Zeitgeist hat eine Farbe: Grün. Zumindest in Deutschland scheint das so zu sein, in der großen Mehrzahl der anderen EU-Länder allerdings nicht. Laut jüngsten Umfragen kämen die grünen Parteien auf 57 Sitze im nächsten Europaparlament - von 751. Das sind zwar sieben Mandate mehr als 2014, aber nur 7,5 Prozent der Sitze insgesamt. Und der Zuwachs basiert zum Großteil auf dem zu erwartenden guten Ergebnis in Deutschland. Es ist eine der vielen spannenden Fragen der Europawahl am 26. Mai: Wie viele der knapp 20 Umfrage-Prozente werden zu echten grünen Prozentpunkten bei der Wahl? Die deutschen Grünen sind so kampagnenfähig wie keine andere Partei und haben manchen Trend auf ihrer Seite. Mit Greta Thunberg und Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform mobilisieren sie die jungen Wähler, die sich um das Klima und um die unendliche Verfügbarkeit von Gratisinhalten im Internet sorgen. Keine andere Partei wirkt auf die Mehrheit der Erstwähler glaubwürdiger. Und in ihrer Klientel führt das nicht zu Generationenkonflikten zwischen Jung und Alt. Dass sich Emmanuel Macron am Rande des EU-Gipfels im rumänischen Sibiu mit der deutschen Klima-Aktivistin Luisa Neubauer getroffen hat, ist auch als Signal an die Grünen zu verstehen. Frankreichs Staatspräsident zeigt sich bereit, beim Klimaschutz mehrere Schritte weiter zu gehen als Angela Merkel. Und dafür fordert er als Gegenleistung Unterstützung in Europa. Macron weiß, was der EU droht: ein Europäisches Parlament, in dem nur eine sehr große Koalition stabile Mehrheiten garantieren kann. In Brüssel und Straßburg wird Jamaika (Schwarz-Gelb-Grün) ebenso wenig reichen wie Kenia (Schwarz-Rot-Grün) oder Deutschland (Schwarz-Rot-Gelb). Wahlweise ist die Rede von Ghana, Guyana oder Mosambik - also von Schwarz, Rot, Gelb und Grün. Vieles spricht für ein - zumindest informelles - Bündnis der vier pro-europäischen Fraktionen, die sich gegen die potenziell große Gruppe der EU-skeptischen Rechtspopulisten und Nationalkonservativen stellen. Das macht die Mehrheitsfindung schwieriger und Kompromisse politisch teurer, fängt bei der Wahl der EU-Kommission an und hört nicht bei der Gesetzgebung auf. Daher wird der grüne Einfluss auf europäischer Ebene zunehmen. Die Ökopartei wird sich teuer verkaufen, sie will mehr Klimaschutz und eine andere Agrarpolitik durchsetzen. Was davon mit Macron und Merkel zu machen ist, wird man sehen. Zuerst müssen sich die Staats- und Regierungschefs auf einen Kandidaten für die Spitze der EU-Kommission einigen, der eine Mehrheit im Parlament bekommen kann. Von den Spitzenkandidaten käme die Dänin Margrethe Vestager den Grünen am nächsten.
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