Westfalen-Blatt: ein Leitartikel zum SC Paderborn
Bielefeld (ots)
Vor fünf Jahren war es ein Fußball-Märchen. Einer der ungewöhnlichsten Aufstiege in der Bundesliga-Historie. Paderborn, Inbegriff für tiefste Provinz, machte 2014 einen Riesenschritt raus aus dem Kleinbürgertum. Mit Ostwestfalen verband man plötzlich nicht nur Dr. Oetker, Miele, Melitta oder Benteler, sondern auch den SC Paderborn. Ein kleiner Klub, der mit einem Mini-Etat erst die 2. Liga aufmischte und sie dann auf den Kopf stellte.
Das ist auch diesmal so. Der aktuelle Profi-Haushalt ist mit 6,5 Millionen Euro vergleichbar niedrig, sportlich liegen zwischen den beiden SCP-Aufstiegsteams aber Welten. Die Senkrechtstarter 2014 zeichnete viel Zweitliga-Erfahrung aus, der Kader war über Jahre zusammengewachsen und entsprechend gereift. Das war diesmal komplett anders: Jung, extrem schnell und sehr unerfahren - so könnte man die Boygroup von Trainer Steffen Baumgart beschreiben, die über 33 Spieltage ihre Leichtigkeit (fast) nie verlor und am Sonntag mit der schönsten Niederlage aller Zeiten in die Bundesliga stürmte.
Vor fünf Jahren wurde die märchenhafte Geschichte aber nur noch ein halbes Jahr weitergeschrieben. Mit 19 Punkten ging der SCP in die Winterpause und hatte sogar den Klassenerhalt in Sichtweite. Danach folgte ein Absturz, der im deutschen Profifußball beispiellos war. Von Liga eins ging es innerhalb von 24 Monaten runter bis in die Regionalliga. Zumindest sportlich. Nur der Lizenzentzug der Münchner Löwen rettete den SCP vor dem totalen Untergang. Können ist nun einmal die Voraussetzung des Erfolgs - beim SCP häufte sich aber auf allen Ebenen die Fehlerquote, so dass am Ende vom größten Triumph in der Vereinsgeschichte fast nichts mehr blieb. Fast, weil zumindest das Trainings- und Nachwuchsleistungszentrum gebaut wurde, das es ohne das erste Erstligajahr so nicht geben würde. Jetzt bekommt der SC Paderborn eine zweite Chance. Und die Region gleich mit: Ostwestfalen-Lippe ist wieder in der Beletage des deutschen Fußalls vertreten. Großartig! Natürlich wäre auch diesmal ein sofortiger Abstieg normal, der Klassenerhalt eine weitere Sensation. Aber zumindest sollte der SC Paderborn aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und nachhaltiger arbeiten. Zuerst ist die Personalie Markus Krösche zu klären. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass der Manager und Kopf des Aufstiegs zu RB Leipzig wechselt. Sein Nachfolger sollte nicht nur Fußball-Fachmann sein, er muss auch die Philosophie mittragen. Paderborn steht für schnellen Offensivfußball. Paderborn entdeckt junge Talente, entwickelt sie mit dem Trainerteam um Steffen Baumgart weiter und hebt sie auf ein neues Niveau. So ist der SCP zu einer Marke geworden - die gilt es zu schützen, zu pflegen und weiter auszubauen.
Zur Nachhaltigkeit gehört es auch, die Bodenhaftung nicht zu verlieren und die Fans und Freunde auf dem Weg durch die 1. Liga mitzunehmen. Ein gutes Beispiel ist das Ticketing. Die Akzeptanz für Profifußball in Paderborn kann nur weiter wachsen, wenn immer mehr die Chance bekommen, erstklassigen Sport zu sehen. Vor fünf Jahren stoppte der SCP den Dauerkartenverkauf erst, als praktisch alle Tickets weg waren. Ein Jahr lang wurde so der Bundesliga-Fußball in der Arena zur geschlossenen Gesellschaft. Viele treue Anhänger mussten draußen bleiben.
Es gibt einiges zu tun, die Arbeit fängt jetzt erst richtig an. Doch zunächst darf gefeiert werden. Herzlichen Glückwunsch, SCP! Wobei einer fehlt, der gerne mittendrin wäre: Wilfried Finke. Der verstorbene Präsident, Fan und Förderer des Vereins hat seinen Anteil auch an diesem Erfolg. Finke war es, der Krösche zurückholte und ihn zum Manager machte, als der SCP in Trümmern lag. Das war wichtig und richtig, der Durchmarsch von Liga drei bis eins ist der beste Beleg.
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