Westfalen-Blatt: ein Leitartikel zum Kirchentag in Dortmund
Bielefeld (ots)
Was für ein Vertrauen? Das Motto des 37. Evangelischen Kirchentages, der am Sonntag zu Ende ging, ließ sich ohne weiteres als zynische Frage verstehen. Was für ein Vertrauen soll ich noch haben, wenn die Welt sowieso vor dem Abgrund steht? Was für ein Vertrauen soll ich noch haben, wenn es auf allen Kontinenten derzeit brodelt? Was für ein Vertrauen soll ich haben, wenn Populismus und extremistisches Gedankengut auf einmal den politischen Diskurs zu bestimmen scheint? Es war eben jenes düstere Bild, das auch Heribert Prantl, früher einmal an der Spitze der »Süddeutschen Zeitung«, in einem Vortrag mit dem Titel »Ängstigt euch nicht« vor mehreren Tausend Gästen in der Dortmunder Westfalenhalle hielt. Es war ein Marsch durch das Kabinett des Schreckens: von Trump und anderen Populisten über das Artensterben bis hin zur Klimakrise. Im Vorfeld waren die Kirchentagsmacher mehrfach harsch für die explizite Nicht-Einladung von AfD-Funktionären zu Podiumsdiskussionen kritisiert worden. Kirchentagspräsident Hans Leyendecker hatte diese Präsidiumsentscheidung vehement verteidigt, hatte sich mehrfach mit der Frage konfrontiert gesehen, ob man der Partei so nicht die Selbstinszenierung in der Opferrolle darböte. Zum Schluss wurde es dem ehemaligen Investigativ-Journalisten zu bunt - bei der täglichen Pressekonferenz verweigerte er den Kommentar auf eine erneute Journalistenfrage mit AfD-Bezug. Man kann es strategisch für falsch halten, eine Partei (und damit ihre Anhänger) so deutlich auszuschließen. Man kann sagen: Es ist notwendig, weiter mit allen zu sprechen, niemanden zu verprellen. Man kann aber auch sagen: Eine politische Strömung, deren Erfolg vor allem auf den diffusen Ängsten in der Bevölkerung fußt, passt nicht auf einen Kirchentag. Denn hier geht es darum, in einer scheinbar aussichtslosen Lage Hoffnung zu schöpfen. Hier ist nicht der Ort, um Augen und Ohren vor der Realität zu verschließen und Probleme einfach ignorieren zu wollen. Oft genug hat man den Kirchen in der Vergangenheit vorgeworfen, keine klaren Positionen zu beziehen. Hier haben das zumindest die Verantwortlichen des Kirchentages getan - und sind konsequent geblieben. Am Ende gab es für Prantl stehende Ovationen: Mit einer Mischung aus biblischen Zitaten und Verweisen auf Beispiele wie die Klimaaktivistin Greta Thunberg hatte er es offenbar geschafft, trotz aller Zukunftsängste Hoffnungen zu schüren. Was dort in der Westfalenhalle passierte, dürfte sich wohl auf den gesamten Kirchentag übertragen lassen. Es ist eine Veranstaltung, von der Menschen etwas mitnehmen wollen. Im besten Fall neuen Mut, das eigene Leben und die gesellschaftlichen Probleme anzupacken.
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