Westfalen-Blatt: Kommentar zu den Bauernprotesten
Bielefeld (ots)
Die Jugend begehrt auf. Das tut sie regelmäßig freitags, wenn Schüler bei den »Fridays for Future«-Demonstrationen vehement mehr Klimaschutz einfordern. Dabei ist die intensive Landwirtschaft mit Massentierhaltung und Glyphosat einer der Hauptangriffspunkte. Gestern begehrten nun die Junglandwirte auf und mahnten mehr gesellschaftliche Anerkennung für ihren Beruf an. Auch sie attackierten die Politik, aber nicht wegen zu wenig Auflagen, sondern im Gegenteil wegen angeblich überbordender, existenzgefährdender Vorschriften wie der Düngeverordnung. Noch mehr Umweltschutz gehe nur auf ihre Kosten, argumentieren sie.
Da scheinen sich auf den ersten Blick zwei Lager unversöhnlich gegenüberzustehen. Bei näherem Hinsehen ist das aber nicht so. Schüler und Nachwuchslandwirte eint die Sorge um ihre Zukunft. Sie wollen in einer umweltverträglichen Welt aufwachsen, die nachhaltig ist und künftigen Generationen die gleichen Chancen eröffnet wie der jetzt lebenden. Die Junglandwirte möchten aber auch, dass ihr Beruf eine Zukunft hat, dass sie von Auflagen nicht erdrückt werden und der Betrieb Gewinn abwirft. Sonst könnten sie ja gleich ihre Felder den Betreibern von Windrädern anbieten und von der Pacht leben, anstatt Getreide anzubauen oder Kühe zu melken. Auf ihre Nöte hinzuweisen wie am Dienstag bei der Demo in Paderborn, bei der 300 Traktoren die Verkehrsader der Stadt verstopften, ist ihr gutes Recht. Dass die Organisatoren die Demo nicht angemeldet hatten, war dumm, ist aber eine andere Geschichte.
Landwirte haben es zur Zeit besonders schwer, weil CDU und SPD in der Großen Koalition immer grüner werden - als Reaktion darauf, dass die Grünen bei Wahlen immer stärker werden. Und die würden es am liebsten sehen, wenn Lebensmittel gar nicht mehr konventionell, sondern nur auf Biobauernhöfen hergestellt werden. Die Öffentlichkeit wiederum ist durch Horrorbilder aus Ställen, in denen Schweine mit abgebissenen Schwänzen vor sich hin leiden, aufgeschreckt. Das ist natürlich nicht die Regel, aber solche Bilder sind wirkmächtig. Zudem hält sich das Vorurteil hartnäckig, dass der Bauer zwar immer stöhnt, aber gleichzeitig einen dicken Mercedes fährt.
Wenn junge Leute freitags strengere Vorschriften für Dünge- und Pflanzenschutzmittel fordern, sollten sie und ihre Eltern auch bereit sein, fürs Essen mehr auszugeben. Spaghetti Bolognese mit Billighack aus dem Discounter zuzubereiten und gleichzeitig mehr Klimaschutz zu fordern, passt nicht zusammen. Wenn Lebensmittel endlich einen höheren Stellenwert bekämen, würde das dafür sorgen, dass bei Landwirten mehr hängen bliebe, was sie in Tierschutz investieren könnten. Ein Umdenken würde allen helfen, auch der Umwelt.
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