All Stories
Follow
Subscribe to Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Kommentar zur EZB

Bielefeld (ots)

Mario Draghi geht von Bord, Christine Lagarde übernimmt. Doch das Schiff, die Europäische Zentralbank, wird so schnell seine Richtung nicht ändern - nicht ändern können. Mag der Frust über die lockere Geldpolitik mit Negativzinsen und dem Aufkaufen von Staatsanleihen besonders in Deutschland noch so groß sein: Die Abhängigkeiten nicht nur der europäischen Regierungen, sondern auch der Unternehmen vom billigen Euro ist inzwischen so groß, dass abrupte Veränderungen unabsehbare Folgen hätten. Sprach man früher mit Hochachtung von den Währungshütern, so werden die Entscheidungen heute von Geldpolitikern gefällt. Lagarde ist im Gegensatz zu ihren Vorgängern auch gar keine Ökonomin, sondern Juristin. Und vor allem war sie bis zum Wechsel an die Spitze des internationalen Währungsfonds französische Finanzministerin. Die Sorgen der Staatsführer sind ihr nahe - vermutlich mehr als die der Privatanleger und Sparer. Diejenigen, die in Regierungsverantwortung stehen, haben sich das unter Draghi zunutze gemacht. Statt Schulden im größeren Stil abzubauen, wurden Ausgabenstreichungen verschoben. Immerhin hüten sich die Finanzminister der Euro-Länder noch, ihre Wünsche an die EZB öffentlich zu deutlich zu artikulieren. In den USA riss Präsident Donald Trump schon alle Dämme ein. Die verbalen Ausfälle gegen den obersten US-Notenbanker Jerome Powell, verbunden mit der vehement vorgetragenen Forderung nach weiteren Leitzinssenkungen dienen nur dem Ziel, seine Wiederwahl zu sichern. Es liegt an Lagarde, ähnliche Auswüchse in Europa zu verhindern. Dabei wird sie gut daran tun, den Elfenbeinturm in Frankfurt möglichst oft zu verlassen und ihre Geldpolitik der Wirtschaft und den Menschen zu erklären. Bevölkerung und Unternehmen müssen sicher sein, dass sich der Wert des Geldes, das sie anlegen oder investieren, nicht von heute auf morgen substanziell verändert. Es gilt als Draghis großer Verdienst, den Euro durch sein klares Wort auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise gerettet zu haben. Er konnte es, weil die Vorgänger einen Vertrauensvorschuss erwirtschaftet hatten. Lagarde wird wissen, dass es dort, wo Zuverlässigkeit zählt, keinen billigen Kredit gibt.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Dominik Rose
Telefon: 0521 585-261
d.rose@westfalen-blatt.de

Original content of: Westfalen-Blatt, transmitted by news aktuell

More stories: Westfalen-Blatt
More stories: Westfalen-Blatt
  • 27.10.2019 – 21:15

    Westfalen-Blatt: Kommentar zur Landtagswahl in Thüringen

    Bielefeld (ots) - Die Parteien vom linken und rechten Rand sind die großen Gewinner einer Landtagswahl in Deutschland. Am Ende steht in Thüringen ein Ergebnis, das zwar erwartet wurde, aber dennoch fassungslos macht. Rot-Rot-Grün ist abgewählt, die Regierungsbildung nur schwer oder gar nicht möglich, eine Minderheitsregierung nicht ausgeschlossen. Bis auf die CDU findet die politische Mitte aus SPD, Grüne und FDP ...

  • 27.10.2019 – 21:00

    Westfalen-Blatt: Kommentar zur Wahl der SPD-Spitze

    Bielefeld (ots) - Dieses Ergebnis muss CDU und CSU ebenso viele Sorgen bereiten wie der SPD selbst. Der Vorsprung von Olaf Scholz und seiner Mitstreiterin Klara Geywitz auf Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken ist so knapp, dass der Bundesfinanzminister und Vizekanzler nicht als Favorit in die Stichwahl um die SPD-Spitze geht. Denn die Stimmen für die anderen Gespanne, die bis auf Niedersachsens Innenminister Boris ...

  • 25.10.2019 – 21:00

    Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Wahl der SPD-Parteivorsitzenden

    Bielefeld (ots) - Die SPD erwacht aus dem Tiefschlaf. Wochenlang hat man nichts gehört von der Partei. Zumindest nichts Substanzielles. Die Sozialdemokraten waren viel zu sehr beschäftigt - mit sich selbst. An diesem Samstag dürfen knapp 430.000 Mitglieder über eine neue Parteiführung abstimmen. Es geht um viel bei diesem Kandidaten-Casting. Sechs Teams kämpfen ...