WESTFALEN-BLATT: Kommentar zum Corona-Gipfel
Bielefeld (ots)
Leute, es geht voran in Deutschland! Der Lockdown hat gewirkt! Immer mehr Impfstoff ist verfügbar! Ja, die Gefahr einer dritten Welle ist weiter real. Aber wenn wir uns alle ernsthaft an ein paar wichtige Regeln halten, dann können wir durchstarten! So hätte die Botschaft des Corona-Gipfels lauten können. Stattdessen: Fragen, Fragen, Fragen - und nur dürftige Antworten.
Wer, bitte, soll diese komplizierten Regelungen verstehen? Die nach dem Gipfel veröffentlichte "Öffnungsmatrix" erinnert an ein Organigramm zur Mondlandung. Das ist im Wortsinne unbegreiflich - und ein Beweis dafür, dass Politik bisweilen Lichtjahre von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt ist. Welche Schlussfolgerungen aus diesem Plan für NRW, für Ostwestfalen-Lippe und für jeden einzelnen Bürger zu ziehen sind, war am Morgen nach dem Gipfel völlig unklar.
Wie, bitte, sollen die versprochenen kostenlosen Tests konkret funktionieren? Muss jemand, der draußen auf einer Caféterrasse ein Stück Kuchen essen will, erst quer durch die Gegend zu einem Testzentrum fahren, um sich seine Gesundheitsbescheinigung abzuholen?
Und sollte es demnächst die versprochenen Massentests tatsächlich geben: Ist bereits daran gedacht worden, dass dann die Inzidenzwerte bei unveränderter Gesundheitslage in die Höhe gehen werden, weil mehr stille Infektionen erkannt werden?
Der Gipfel wollte allen und allem gerecht werden: Den Lockerern und den Bremsern, dem Infektionsschutz und der Wirtschaft. Das Ergebnis ist ein Kuddelmuddel, das auf die Stimmung schlägt und nur Verwirrung stiftet.
Politik ist die Kunst des Möglichen, hat der Staatsmann Otto von Bismarck vor mehr als 100 Jahren erkannt. Schade, dass diesmal so wenig möglich gemacht wurde.
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