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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Präsidentenwahl in Frankreich

Bielefeld (ots)

Die Mehrheit der Franzosen traut es Nicolas
Sarkozy zu, als neuer Präsident einem stagnierenden und an sich 
selbst zweifelnden Land wieder Zuversicht zu vermitteln. Der 
ehrgeizige Macher hat sich auf die Fahnen geschrieben, das Land 
grundlegend zu reformieren. Auf ihn wartet eine Menge unerledigter 
Aufgaben.
 Und diese sind in erster Linie wirtschafts- und sozialpolitischer 
Art. Die hohe Staatsverschuldung muss eingedämmt werden. Der 
aufgeblähte öffentliche Dienst ist zu teuer. In Frankreich ist jeder 
Fünfte beim Staat beschäftigt, in Deutschland jeder Zwanzigste. 
Hunderttausende Jugendliche, darunter viele aus Einwandererfamilien, 
suchen erfolglos nach Arbeit.
Sarkozy will energisch gegensteuern. Er will die Unternehmenssteuern 
senken, die 35-Stunden-Woche aufweichen und getreu seinem Motto 
»Gemeinsam wird alles möglich« auch benachteiligten Jugendlichen aus 
den Vorstädten Arbeit verschaffen.
Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung stecken in den roten Zahlen.
Bei seinen Plänen, die Lebensarbeitszeit zu erhöhen, wird er sich auf
den gut organisierten Widerstand der Gewerkschaften einstellen 
müssen, die grundlegende Reformen in den vergangenen 20 Jahren mit 
Massenprotesten verhindert haben. Auf diesem Feld muss er die 
Franzosen davon überzeugen, dass schmerzhafte Einschnitte das Land 
weiter bringen als die Ängstlichkeit, die seine Vorgänger an den Tag 
gelegt haben.
Nicolas Sarkozy gibt sich als Wirtschaftsliberaler. Dies gilt 
allerdings nur, solange es Frankreich nutzt. Französische 
Industrieinteressen weiß er massiv durchzusetzen. Man erinnere sich 
daran, wie er die deutsch-französische Pharma-Fusion Aventis-Sanofi 
dem französischen Unternehmen einverleibte. Bundeskanzlerin Angela 
Merkel sollte argwöhnisch auch die Bestrebungen Sarkozys beobachten, 
die Machtverhältnisse bei Airbus zugunsten Frankreichs zu verändern.
In Sarkozy hat Angela Merkel aber einen pflegeleichten Partner, was 
die Rettung der EU-Verfassung angeht. Der neue Präsident will die 
Fehler von Jacques Chirac vermeiden. Er strebt eine Art Mini-Vertrag 
an, in dem die institutionellen Änderungen festgeschrieben werden, 
damit die EU handlungsfähig bleibt. Nur das Parlament soll darüber 
abstimmen. Einer EU-Mitgliedschaft der Türkei steht er ablehnend 
gegenüber. Er sieht die Türkei eher als Mitglied einer 
Mittelmeer-Union, die eng mit der EU zusammenarbeitet.
 Wie stark Sarkozys Position in Zukunft sein wird, hängt jetzt von 
den Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni ab. Der Chirac-Nachfolger 
hat sich als Macher und Reformer profiliert. Vielen Franzosen, denen 
seine Art, zu polarisieren und sich gegen alle Widerstände 
durchzusetzen, als suspekt gilt, könnten jedoch geneigt sein, dem 
konservativen Präsidenten eine oppositionelle Mehrheit im Parlament 
entgegenzusetzen. Die Franzosen haben am Sonntag für Reformen 
gestimmt.
Ob sie harte Reformen wollen, entscheidet sich wohl im Juni.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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