Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Heiligendamm
Bielefeld (ots)
Ja, dieser Gipfel war den immensen Aufwand wert - für Deutschland, für Afrika, für die Argumente der Kritiker, vielleicht sogar für die Blockierer und Leichtfußindianer, die gegen einen Zaun angerannt sind, dessen Notwendigkeit inzwischen außer Frage steht. Wer kann wirklich etwas dagegen haben, wenn mächtige Staatsmänner und -frauen für knapp drei Tage in Klausur gehen? Schon vergessen, die Erbfeindschaft zwischen Deutschen und Franzosen, oder die Sprachlosigkeit zwischen Ost und West bis vor kurzem? Das Gute an solchen Gesprächen ist, dass kein Beteiligter aus einer Diskussion einfach aussteigen kann. Die Hit-and-run-Politik der Großen braucht Treffen wie an der Ostsee, um Dinge auch einmal auszudiskutieren. Natürlich wäre ein Ablauf wie etwa beim Partner-Programm am Rande des G8-Treffens oder auch beim Junior-8-Gipfel wünschenswert gewesen. Die Verantwortung dafür tragen weder Angela Merkel noch George W. Bush. Im Klimastreit hat Merkel das derzeit Optimale herausgeholt. Selbst ihr SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel musste das bestätigen. Das Signal für Afrika und die Bekämpfung der Aids-Geißel rettet Menschenleben. Aber schon die Zusage Merkels an die afrikanischen Staatschef, man wolle die Beschlüsse vom Gipfel in Gleneagle 2005 einhalten, zeigt das unlösbare Problem solcher Verabredungen außerhalb des UN-Rahmens. Wenn ein zwei Jahre altes Versprechen schon bekräftigt werden muss, was ist dann von Klimazielen für das Jahr 2050 zu halten? Ganz klar: nichts. Allerdings: Die Absicht umzusteuern zählt. Darüber hinaus müssen sich die Akteure an ihren Versprechen messen lassen. Popstars, die neuen Paten Afrikas, sowie die Globalisierungskritiker werden nicht eine Zusage vergessen. Sie dürfen sich auch als Sieger fühlen. Nicht weil sich ihre extremen Forderungen erfüllt hätten, wohl aber weil sie damit Gehör fanden. Trotz der blinden Gewalt beim Auftakt vor einer Woche hat der schwarze Block nicht den Blick auf die Inhalte verstellen können. Die Ernsthaften beim Gegengipfel, die vielen beim Großkonzert am Fronleichnamstag sensibilisierten jungen Leute und die Blockierer auf mecklenburgischen Waldpfaden: Sie alle treten für mehr Gerechtigkeit ein, und meist mit mehr als bloßen Worten. Ihr massenhaft symbolisches - in wenigen Fällen sogar tatsächliches - Rütteln am Zaun von Heiligendamm hat Wirkung gezeigt. Wichtiger noch für die weltweite Bewegung der Globalisierungsgegner war Heiligendamm zur Identitätsstiftung. Aktionen des zivilen Ungehorsams, Proteste und Sendezeit in Medien rund um den Globus haben sie gestärkt. Die Welt hat nicht nur das Signal der Großen Acht gehört. Es ist legitim, die Weltwirtschaft einmal von Süd nach Nord zu betrachten. Heiligendamm hat zum Perspektivenwechsel gerade bei uns beigetragen. Merkels »Heiligendammprozess« soll den Austausch mit den Schwellenländern auf Regierungsebene verstetigen. De facto ist ein weit breiterer Dialog angestoßen worden.
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