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Verkehrssicherheit von Kleintransportern erhöhen
42. Deutscher Verkehrsgerichtstag in Goslar
Zum Arbeitskreis I: Unfallrisiko Kleintransporter

Stuttgart (ots)

Sicherheitstechnik nutzen, Fahrerschulung für die Profis am Steuer
Viele Autofahrer empfinden sie als Bedrohung, die
leistungsstarken, schnellen Kleintransporter, die
Pkw-Höchstgeschwindigkeiten erreichen und auf der linken Autobahnspur
problemlos mithalten können. Bis zu einem Gesamtgewicht von 3,5
Tonnen unterliegen die kleinen Transporter keinem Tempolimit und
dürfen mit Pkw-Führerschein gefahren werden. Deshalb sind sie ideal
für den Transport zeitkritischer Güter und die schnelle Distribution
von Paketen und Waren an den Endverbraucher. Der Verbraucher bestellt
heute zunehmend via Internet oder Telefon und erwartet die Lieferung
möglichst umgehend direkt an seine Haustür. Das hat entscheidend zum
Erfolg der Transporter als flexible und schnelle Lastenesel
beigetragen.
Immer häufiger aber sind die Transporter in zum Teil
schwerwiegende Unfälle verwickelt. In der Berichterstattung der
Medien ist so ein neues Feindbild auf unseren Straßen entstanden.
Verbände und Verkehrspolitiker fordern daher zunehmend ein Tempolimit
auch für die Kleintransporter. "Tatsächlich aber gibt es bisher nur
unzureichende wissenschaftliche Erkenntnisse über das
Unfallgeschehen mit Kleintransportern", berichtet Werner von Hebel,
Geschäftsführer der DEKRA Automobil GmbH.
Die vorliegenden Auswertungen und Untersuchungen haben die DEKRA
Unfallforscher zusammengefasst, mit eigenen Untersuchungen ergänzt
und bewertet. Außerdem wurde erstmals auch ein Transporter in einem
unabhängigen DEKRA Crashtest geprüft und seine Ergebnisse
veröffentlicht. Das Fazit: Auch für moderne Transporter bieten die
Hersteller optimale Sicherheitsausstattung - sie muss aber auch von
den Transportunternehmen bestellt werden. Mit besserer
Fahrerschulung, zusätzlichen Maßnahmen zur Ladungssicherung und
Motivation der Fahrer, den Sicherheitsgurt immer anzulegen, ließe
sich die Verkehrssicherheit zudem erheblich verbessern.
Zahl der leichten Lkw in den letzten Jahren rasant gestiegen
Mit dem Markterfolg der Kurier-, Express- und Paketdienste
(KEP-Dienste) in den letzten Jahren hat sich auch der
Nutzfahrzeugbestand in Deutschland  gravierend verändert. Während die
Zahl der Lkw in den Klassen über 3,5 bis 7,5 Tonnen und über 7,5
Tonnen seit 1992 zwischen drei und zwölf Prozent angewachsen ist, hat
sich die Zahl der leichten Liefer- und Lastkraftwagen mit einem
zulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen um 81 Prozent erhöht. Zwar
weist die amtliche Statistik die schnellen, kleinen Transporter nicht
gesondert aus. Aus Analysen der Verkaufszahlen ergibt sich jedoch,
dass ein Großteil dieser leichten Lkw von Transportern gebildet wird,
die vor allem bei den KEP-Diensten im Einsatz sind. Rund 1,8
Millionen solcher leichten Güterkraftfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sind
heute auf unseren Straßen unterwegs.
Höherer Transporter-Bestand führte zu mehr Unfällen
Ein Vergleich der vom Kraftfahrtbundesamt, Flensburg,
veröffentlichten Bestandsentwicklung mit den Unfallzahlen des
Statistischen Bundesamtes, Wiesbaden, macht deutlich, dass die Zahl
der Unfälle mit Beteiligung von Güterkraftfahrzeugen in geringerem
Umfang gestiegen ist als der Bestandszuwachs bei den entsprechenden
Liefer- und Lastkraftwagen. Bei den Güterkraftfahrzeugen von 3,5 bis
7,5 Tonnen und über 7,5 Tonnen Gesamtgewicht ist bei Unfällen mit
Personenschaden sogar ein Rückgang der Unfallzahlen von 1992 bis 2001
je nach Ortslage um bis zu 22 Prozent zu verzeichnen. Die dicken
Brummis sind also deutlich verkehrssicherer unterwegs als ihr Ruf
vermuten lässt.
Dagegen ist bei den Liefer- und Lastkraftwagen  bis 3,5 Tonnen
Gesamtgewicht tatsächlich ein gravierender Anstieg der Unfälle mit
Personenschaden von 1992 bis 2002 feststellbar:
+ 51 % innerorts
   + 60 % außerorts ohne Autobahnen
   + 51 % auf den Autobahnen.
"Dieser Anstieg entspricht aber dem Bestandszuwachs" erläutert 
Alexander Berg, Leiter der DEKRA Unfallforschung. Demnach ist das auf
das einzelne Fahrzeug bezogene Risiko etwa gleichgeblieben. "Wir
gehen davon aus, dass durch den zunehmenden Einsatz im KEP-Dienst
gegenüber dem früher überwiegenden Einsatz der Transporter als
Handwerkerfahrzeug von und zu wechselnden Arbeitsplätzen, die
Fahrleistungen der Transporter - die ja die entscheidende Bezugsgröße
für das Unfallrisiko sind - eher noch mehr gestiegen sind als die
Bestandszahlen. Leider liegen hierzu keine offiziellen Zahlen für die
Gruppe der Transporter vor". Es sind also die erhebliche
Bestandszunahme in Verbindung mit möglicherweise höheren
Fahrleistungen, die bei den leichten Güterkraftfahrzeugen zu mehr
Unfällen beigetragen haben.
Tempolimit 130 Kilometer pro Stunde keine wirksame Maßnahme zur
Verringerung von Transporterunfällen
Die detaillierten Zahlen der Unfälle mit Personenschaden zeigen
aber auch, dass die leichten Liefer- und Lastkraftwagen mit 60
Prozent vor allem an Unfällen innerorts und mit 30 Prozent außerorts
(ohne Autobahn) beteiligt sind. Lediglich zehn Prozent der an
Unfällen mit Personenschaden beteiligten Fahrzeuge mit bis zu 3,5
Tonnen verunfallen auf Autobahnen. Das deckt sich mit einer
Pilotstudie zum Unfallgeschehen mit Transportern, die DEKRA bereits
1999 begonnen und seither ständig erweitert hat. Danach passieren
knapp 90 Prozent der Unfälle bei Geschwindigkeiten bis 90
Stundenkilometer. Bei Geschwindigkeiten über 120 - 130 km/h kommt es
dagegen zu weniger als 10 Prozent der Unfälle.  "Aus den bisher
vorliegenden Auswertungen der Unfallursachen lässt sich nicht
ableiten, dass eine generelle gesetzliche
Geschwindigkeitsbeschränkung für die Kleintransporter gerechtfertigt
ist," urteilt DEKRA Unfallforscher Alexander Berg. Die Einführung von
Geschwindigkeitsbegrenzern mit einem Tempolimit von 130 km/h
beispielsweise könnte allenfalls einige Extremunfälle auf Autobahnen
verhindern, nicht aber die Unfallzahlen merklich mindern. Innerorts
und auf Landstraßen, wo sich die meisten Unfälle mit Transportern
ereignen,  hätten die Begrenzer keinen Effekt.
Allerdings erkennen die DEKRA Experten Ansatzpunkte, die zu einer
Reduzierung der Transporter-Unfälle und ihrer Folgen beitragen
können. So führt zweifellos die technische Ausstattung der
Transporter, die die aktive und passive Sicherheit erhöhen, zu mehr
Verkehrssicherheit. Noch herrscht jedoch bei den Transportern im
heutigen Straßenverkehr nicht der hohe Ausstattungsstandard, der für
die Autofahrer im Pkw bereits selbstverständlich geworden ist. Und
wenn die Sicherheitsausstattungen optional angeboten werden, dann
verzichten die Transportunternehmer aus Kostengründen häufig darauf.
Selbst die ABS-Bremse wird da schon mal aus der Fahrzeugbestellung
herausgerechnet und mit Beifahrer-Airbag oder ESP sind erst wenige
Transporter-Modelle ausgestattet. "Auch hier sollten alle Beteiligten
dafür sorgen, den Stellenwert der Sicherheit von Transportern zu
erhöhen", fordert DEKRA.
DEKRA Crashtest demonstriert die Sicherheit moderner Transporter
Wie sicher moderne Transporter heute sein können, das untersuchte
die DEKRA Unfallforschung erstmals in einem unabhängigen
Crash-Versuch im DEKRA Crashzentrum in Neumünster. Ein Ford Transit
FT 330 mit langem Radstand, Hochdach und Dreiersitzbank wurde bei
laufendem Motor mit 48,3 Stundenkilometer und 100 Prozent Überdeckung
- entsprechend dem US-Sicherheitsstandard FMVSS 208 - frontal gegen
eine Betonbarriere gecrasht. Im Fahrerhaus saßen drei 75 Kilogramm
schwere Dummies vom Typ Hybrid III. Außerdem war der Transit mit rund
einer halben Tonne Messtechnik beladen. Nach dem Crash musste der
Transporter als Totalschaden abgeschrieben werden. "Nach den Gesetzen
der Physik ist eine kontrollierte Umwandlung von Bewegungsenergie in
Deformation notwendig, um das Verzögerungsniveau auf einem
ertragbaren Niveau zu halten", erläuterte DEKRA Projektmanager Peter
Rücker. Die drei Insassen  hatten den harten Aufprall dank
umfangreicher Sicherheitstechnik vergleichsweise gut überstanden.
Längsträger im Bodenbereich und das Dach hatten einen Teil der
kinetischen Energie aufgefangen. Die Fahrgastzelle blieb erhalten und
sicherte so den notwendigen Raum zum Überleben. Die Türen ließen sich
ohne Werkzeug öffnen, was bei einer Notfallrettung der Insassen sehr
wichtig ist. Die Airbags hatten vorbildlich ausgelöst und so die
Wirkung der Sicherheitsgurte sowohl für den Fahrer- als auch den
Beifahrer-Dummy unterstützt. Für den Mitfahrer-Dummy auf dem
Mittelplatz gibt es im Transit jedoch keinen Airbag. Hier ist allein
der Sicherheitsgurt für die Rückhaltung zuständig. Die an den drei
Dummies gemessenen biomechanischen Belastungswerte für alle
Körperbereich blieben deutlich unter den Grenzwerten.
Gurtanlegequote muss deutlich erhöht werden
"Die Zahl der Personenschäden bei Unfällen mit Transportern lässt
sich daher entscheidend reduzieren, wenn es gelingt, die
Gurtanlegequote auf das im Pkw erreichte Niveau anzuheben", nannte
DEKRA Unfallforscher Berg die wichtigste Erkenntnis.
Verkehrsbeobachtungen von DEKRA ergaben, dass auf Autobahnen rund 60
Prozent und auf Bundesstraßen sogar über 80 Prozent der Insassen von
Transportern nicht angegurtet waren. Alle einschlägigen Studien, die
sich in den letzten Jahren mit Nutzfahrzeugunfällen befasst haben,
schätzen die Verletzungsminderung allein durch angelegte
Sicherheitsgurte auf 50 bis 80 Prozent ein. Aufklärung der Fahrer und
verstärkte Kontrollen können daher für die Verkehrssicherheit sehr
schnell positive Effekte bringen.
Transporter-Fahrer zu Profis im Straßenverkehr ausbilden
"Zu diskutieren ist außerdem die Einführung von EG-Kontrollgeräten
zur beweissicheren Aufzeichnung der Lenk- und Ruhezeiten auch für die
Kleintransporter bis 3,5 Tonnen sowie für die größeren Transporter
zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen, die bislang mit Pkw-Zulassung auch kein
solches Gerät benötigen", nannte Alexander Berg einen weiteren
Aspekt. Das bedeutet dann allerdings auch, dass die Vorschriften für
Lenk- und Ruhezeiten auch auf die Transporterfahrer angewendet werden
müssen. Schließlich gehören auch die professionelle Ladungssicherung
sowie die veränderten Fahreigenschaften eines vollbeladenen
Transporters zu den Themen, für die die Fahrer im Rahmen von
Schulungen und Fahrerbesprechungen in den Unternehmen sensibilisiert
werden müssen, um die Sicherheit an ihren mobilen Arbeitsplätzen zu
erhöhen. "Auch die Transporterfahrer müssen ein Selbstverständnis als
"Profis im Straßenverkehr" entwickeln", fordert DEKRA Experte Berg.
Kontakt
Telefon direkt (07 11) 78 61-21 22
Telefax direkt (07 11) 78 61-27 00
E-Mail  lothar.nicolas@dekra.com

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