Neue Presse Hannover: Präsident des Missvergnügens Ein Kommentar von Harald John
Hannover (ots)
Als der letzte Trompetenstoß im Garten von Schloss Bellevue gestern Abend verklungen war, meinte man einen kollektiven Seufzer der Erleichterung vernommen zu haben. Mit dem pompösen Ritual des Großen Zapfenstreichs endet die Ära des Bundespräsidenten Christian Wulff offiziell, auch wenn die juristischen Folgen der Affäre noch lange nachwirken werden. Es war, um es mit Shakespeare zu sagen, ein Winter des Missvergnügens. Nicht nur für Christian Wulff und seine Familie, sondern für die Republik. Allerdings haben wir kein epochales Drama wie Richard III. erlebt, sondern eine Mischung aus Posse, Komödie und peinlichem Volkstheater. Was als Kreditaffäre begann, steigerte sich über die Feiertage zum Verdacht der Vorteilsnahme und Begünstigung. Schließlich durchsuchten Staatsanwälte Wulffs Haus - ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik. Am Ende gibt es viele Verlierer. Zum einen Christian Wulff, der seine letzten Fürsprecher durch den Wunsch nach lebenslangem Ehrensold, Chauffeur und Personenschutz verloren haben dürfte. Zum anderen das oft zitierte Amt des Bundespräsidenten, das schwer beschädigt ist. Die Wunden werden langsam, aber sicher heilen. Die Familie Wulff dürfte aus der Öffentlichkeit verschwinden, das Bundespräsidentenamt schnell an Würde zurückgewinnen. Die Medien werden sich nach dem Winter des Missvergnügens neuen Themen zuwenden, denn die europäische Krise und das Dilettieren der aktuellen Regierung dürften mit Frühlingsbeginn nicht verschwunden sein. Nur die Häme der Kritiker wird nicht verebben, sondern sich neue Opfer suchen. Dabei wäre diese kollektive Energie sinnvoller in eine politische Debatte investiert: Was erwarten wir von einem guten, ehrlichen und klugen Bundespräsidenten? Eine Frage, über die es nachhaltig zu streiten lohnt.
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