Kritik an der AOK Studie zu Rabattverträgen: Bei bestimmten Wirkstoffen ist die Versorgung der Patienten gefährdet
Hohenlockstedt (ots)
Als eines der ersten Unternehmen reagiert die G. Pohl-Boskamp GmbH & Co. KG auf Veröffentlichungen im Zusammenhang mit einer neuen WIdO-Untersuchung. Demnach sollen Rabattverträge ein Erfolgsmodell sein. Die Geschäftsführerin Marianne Boskamp hält die medial verbreiteten Aussagen für zumindest in Teilen fragwürdig. In einem Interview nimmt sie Stellung.
Die AOK ist der Auffassung, dass die Arzneimittelrabattverträge ein Erfolgsmodell sind und für eine stabilere Versorgung, mehr Anbietervielfalt und geringere Preise stehen. Wie sehen Sie das?
Marianne Boskamp: Die AOK beruft sich zum Beleg der vermeintlich "äußerst geringen" Marktkonzentration auf den Herfindahl-Hirschmann-Index (kurz: HHI) als Messinstrument zum Nachweis der marktbeherrschenden Stellung eines oder mehrerer Unternehmen. Die AOK hat - rein oberflächlich betrachtet - den rabattvertragsgeregelten Markt als Ganzes gesehen. Dann allerdings gelangt man tatsächlich zu einer äußerst geringen Marktkonzentration. Nur geht das an der Realität oft vorbei. Zieht man beispielsweise einmal einzelne Wirkstoffmärkte in den Fokus, ergibt sich ein gänzlich anderes Bild, das entgegen der Auffassung der AOK in vielen Teilmärkten bereits eine hohe Marktkonzentration belegt, wie es z. B. bei der Notfallmedikation zur Behandlung der Angina Pectoris der Fall ist. In diesem Teilmarkt ergibt sich ein HHI Wert von > 1.800, der für eine hohe Marktkonzentration steht.
Sind Sie der Meinung, dass nach 10 Jahren Rabattverträgen einige "Schrauben überdreht" wurden?
Marianne Boskamp: Bei unserem Notfallmedikament zur Behandlung der Angina Pectoris gibt es beispielsweise seit vielen Jahren nur noch zwei Anbieter, die bei jeder neuen Ausschreibung an ihre ökonomischen Grenzen gehen müssen, um noch eine Ausschreibung gewinnen zu können. Es ist eine Frage der Zeit, ab wann einer von uns beiden sein Produkt vom Markt nehmen muss, da angesichts der steigenden Anforderungen und damit Kostenentwicklung das Produkt nicht mehr wirtschaftlich hergestellt werden kann. Sollte der verbleibende Anbieter dann nicht liefern können, wäre ein nach BfArM-Liste versorgungsrelevanter Wirkstoff nicht mehr verfügbar. Gerade die AOK, die angesichts ihres Marktanteils einen markanten Einfluss als Marktmacht hat, schreibt bis zu 90 Prozent im Ein-Partner-Modell aus. Damit entgeht gerade dem Patienten die Anbietervielfalt, die unser aller Rückgrat für eine stabile und zuverlässige Arzneimittelversorgung bildet, und die übrigens auch im SGB V verankert ist.
Wie sieht es mit Ihrer Verantwortung als Unternehmerin aus?
Marianne Boskamp: Selbstverständlich fühle ich mich wie etliche andere Unternehmer verpflichtet, die Versorgung unserer Bevölkerung insbesondere mit versorgungsrelevanten Wirkstoffen z. B. für den Bereich der Notfallmedikation aufrechtzuerhalten. Als Unternehmerin habe ich allerdings auch die Pflicht, die kontinuierlich steigenden gesetzlichen Anforderungen umzusetzen, wie z. B. die Richtlinie für die Fälschungssicherheit. Das kostet alles Geld, und während die Preise für generische Arzneimittel seit etlichen Jahren eingefroren sind, geht die Schere mit steigenden Kosten und Rabatten einerseits bei nicht steigenden Preisen andererseits kontinuierlich weiter auseinander, bis sich der Vertrieb des Arzneimittels nicht mehr für uns rechnen wird. Das Produkt haben wir bereits kostenseitig ausoptimiert, der Markt ist mit ca. 850.000 Verordnungen in 2017 klein, und noch wird es bei uns am Standort in Hohenlockstedt/Schleswig-Holstein hergestellt. Und natürlich fühle ich mich auch für meine MitarbeiterInnen und deren Familien gegenüber verantwortlich.
Es ist meine Aufgabe, ein gesundes Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben. Da wir kein Einzelfall sind, hoffe ich, dass die Politik mittlerweile den Anpassungsbedarf in einigen Bereichen der Rabattausschreibungen erkannt hat und zeitnah finanziell tragfähige Maßnahmen zur Gegensteuerung ergreifen wird, um auch mittel- und langfristig versorgungsrelevante Wirkstoffe für unsere Patienten für die Versorgung sicherzustellen. Dafür sollten sich meiner Ansicht nach auch die Krankenkassen interessieren, denn auch sie zählen bei einer Monopolbildung auf Anbieterseite zu den Verlierern: Wenn nur noch ein Anbieter im Markt sein wird, dann kann es für sie teurer werden.
An welchen Stellschrauben müsste bei Rabattausschreibungen gedreht werden?
Marianne Boskamp: Um die heute schon vorliegende Oligopolisierung in Richtung Monopolbildung zu vermeiden, dürfen die versorgungsrelevanten Wirkstoffe bei weniger als 4 Anbietern gar nicht mehr ausgeschrieben werden oder ersatzweise nur im Drei-Partner-Modell. Es ist unverantwortlich gerade seitens der Krankenkassen hier abzuwarten, bis ein Wirkstoff nur noch von einem Anbieter verfügbar ist. Aus meiner Sicht müssen die Lehren aus den Impfstoffskandalen gezogen werden, es ist fünf vor zwölf.
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