Opferschutz darf keine Alibi-Veranstaltung sein
Mainz (ots)
Zum "Tag der Kriminalitätsopfer" ruft der Weisse Ring die Gesellschaft zu mehr Unterstützung der Geschädigten auf / Gesetzesverbesserungen lange überfällig
Zum Tag der Kriminalitätsopfer am 22. März fordert der Weisse Ring Politik, Justiz und Verwaltung auf, Opferschutz und Opferentschädigung nachhaltig zu verbessern. Zudem seien noch immer viele Betroffene nicht ausreichend über ihre Rechte und Ansprüche informiert. Nur durch das ständige enge Zusammenwirken zwischen staatlichem und privatem Handeln könnten die Lücken in der notwendigen Betreuung von Kriminalitätsopfern geschlossen werden.
Mit einem bundesweiten Netz von rund 400 Anlaufstellen verfügt der Weisse Ring als größte deutsche Opferhilfsorganisation über weitreichende Erfahrungen bei der persönlichen Betreuung und rechtlichen Begleitung von Kriminalitätsopfern und ihren Familien. Einer der wesentlichsten staatlichen Aufgaben sieht der Weisse Ring in offensiven Informationsangeboten, wo und wie hilfesuchende Opfer schnelle und unbürokratische Unterstützung erhalten können.
Polizei informiert Opfer über Hilfe des Weissen Rings
In allen Polizeidienststellen liegen mit Unterstützung des jeweiligen Innenministers Informationen des Weissen Rings aus, die Kriminalitätsopfern die Kontaktaufnahme zur nächstgelegenen Außenstelle des gemeinnützigen Vereins erleichtern. "Ein besonders nützliches Beispiel von vielen, mit dem der Staat seine vom Bürger erwartete Solidarität mit hilfesuchenden Opfern und Helfern des Weissen Rings dokumentiert", so WR-Vorsitzender Max Herberg. Jedem Bürger müsse bewusst sein, dass er als Opfer einer Straftat mit seinen Problemen nicht alleine gelassen wird.
Für den Weissen Ring ist dieses Ziel aufgrund der allgemein eher defensiven Einstellung der Gesellschaft gegenüber Kriminalitätsopfern noch lange nicht erreicht. Mitleid alleine reiche nicht aus.
Nur jedes 7. Gewaltopfer findet den Weg zum Versorgungsamt
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen wirksamen Opferschutz im Strafverfahren und bei der staatlichen Opferentschädigung sind nach Auffassung des Weissen Rings nachhaltig zu verbessern. Noch immer müssten Verbrechensopfer oft jahrelang um ihre Rechte und Ansprüche kämpfen, während den Tätern von Beginn an staatliche Beachtung zuteil werde. Nur knapp 14 Prozent der Jahr für Jahr 200.000 Gewaltopfer stellten einen Antrag nach dem Opferentschädigungsgesetz, das den meisten Menschen gar nicht bekannt sei. Die Anerkennungsquote der Versorgungsämter beträgt im Bundesdurchschnitt lediglich rund 40 Prozent. Schmerzensgeld und Schadensersatz müssen die Opfer ohnehin auf eigene Kosten zivilrechtlich einklagen. Die Erfolgsaussichten sind in aller Regel gering.
Unverständlich: Opferanwalt auf Staatskosten auf Sparkurs
Der Weisse Ring fordert die konsequente Ausweitung des Persönlichkeitsschutzes von Opferzeugen im Strafverfahren. Die Begrenzung des neuerdings möglichen Opferanwalts auf Staatskosten auf Sexual- und versuchte Tötungsdelikte sei ein beschämendes Indiz für das mangelnde Opferbewusstsein verantwortlicher Politiker. Wenn oft dringend notwendige Schutzmechanismen der Mehrzahl schwer betroffener Opfer aus rein fiskalischen Gründen weiterhin vorenthalten würden, dränge sich schnell der Verdacht einer Alibi-Veranstaltung auf.
Dazu WR-Pressesprecher Helmut K. Rüster: "Es ist nicht nachvollziehbar, warum z.B. ein Opfer schwerster Misshandlungen oder einer Entführung weiter um seinen Persönlichkeitsschutz über den Weg der Prozesskostenhilfe betteln soll, obwohl es in der von ihm abverlangten Rolle als Opferzeuge im Strafprozess ebenfalls erheblichen psychischen Belastungen ausgesetzt ist. Auch die Hinterbliebenen von Mordopfern haben derzeit keinen Anspruch auf einen vom Gemeinwesen getragenen Opferanwalt. Hier muss dringend nachgebessert werden."
Opferschutz noch zu wenig bekannt
"Opferrechte/Opferpflichten" heißt ein vom Weissen Ring herausgegebenes Taschenbuch, das den derzeit aktuellen Stand des Opferschutzes in Deutschland widerspiegelt. Auszüge aus allen relevanten Gesetzestexten sowie Hinweise zur Arbeit der Opferschützer stellen eine hilfreiche Ergänzung dar. Zu beziehen ist dieser auch für Nicht-Juristen verständliche praktische Ratgeber gegen eine Schutzgebühr von fünf Mark bei: Weisser Ring e.V., Infoservice, Postfach 26 13 55 Mainz oder telefonisch über das bundesweite WR-Info-Telefon 01803-34 34 34.
WR-Kampagne gegen das "Vogel-Strauß-Syndrom"
Mit der bundesweiten Info-Kampagne "Stoppt das Vogel-Strauß-Syndrom. Zeigt Zivilcourage" appelliert der Weisse Ring an das Verantwortungsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger, Gefährdungssituationen durch besonnenes Handeln zu begegnen. Passivität hilft nur dem Täter und nimmt Wiederholungstaten billigend in Kauf. Jeder, der einem bedrohten Opfer nicht zur Hilfe kommt oder zumindest etwas zu dessen Schutz unternimmt, sollte daran denken, dass er auch selbst einmal auf die Unterstützung anderer angewiesen sein könnte.
Nothelfer sind gesetzlich versichert, sowohl gegen Gesundheits- als auch gegen Sachschäden. Unterlassene Hilfeleistung kann mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder Geldstrafen geahndet werden. Der Weisse Ring fordert von Polizei und Justiz eine stärkere Ächtung des Nicht-Einschreitens, zugleich aber auch unterstützende Maß-nahmen, um die Bereitschaft zur Zivilcourage zu fördern.
Vor allem müsse sich die Rechtspolitik verstärkt der weit verbreiteten Meinung stellen, dass derjenige, der Zivilcourage gezeigt hat, von staatlicher Seite oft im Stich gelassen wird und sich plötzlich selbst auf der Anklagebank wiederfinden könnte. Unterlagen zur Aktion "Stoppt das Vogel-Strauß-Syndrom. Zeigt Zivilcourage" sind erhältlich bei: Weisser Ring e. V., Info-Service, Postfach 26 13 55, 55059 Mainz.
Weisser Ring bittet Bürger um Mithilfe
Jeder kann die Hilfe für Kriminalitätsopfer durch seine Mitgliedschaft im Weissen Ring (Jahresbeitrag 60 DM) oder durch eine Spende tatkräftig unterstützen (Kto.Nr. 34 34 34 Deutsche Bank Mainz, BLZ 550 700 40). Derzeit haben sich erst rund 70.000 engagierte Bürger aus allen Kreisen der Bevölkerung zu einer Mitgliedschaft im Weissen Ring entschlossen. "Dafür sind wir sehr dankbar, doch jedes neue Mitglied stärkt auch die Stimme der Opfer, die dringend auf Hilfe angewiesen sind. Fünf Mark im Monat sind wenig für den Einzelnen, aber viel für den guten Zweck", so der Appell von WR-Sprecher Rüster.
- Besten Dank für Ihre Unterstützung. Belegexemplar erbeten.-
Pressesprecher: Helmut K. Rüster Tel. 06131/ 83 03 38 Fax 06131/ 83 03 45 wr-online: www.weisser-ring.de e-mail: info@weisser-ring.de
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