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Speicherpotenziale für den Schutz vor Hochwasser in der Landwirtschaft aktivieren

Dresden (ots)

DBU-Projekt zeigt am Beispiel der Lausitzer Neiße neue
Perspektiven auf - Konservierende Bodenbearbeitung
"Vorbeugender Hochwasserschutz bietet in gefährdeten Regionen eine
praktikable Chance, nachhaltig und vorausschauend etwas gegen die
Risiken zu tun, anstatt sich nur auf Katastrophenmanagement und
Schadenbegrenzung zu beschränken!" - Dieses Fazit zog heute in
Dresden Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen
Bundesstiftung Umwelt (DBU), bei der Abschlusspräsentation eines
DBU-Forschungs-projektes zum vorbeugenden Hochwasserschutz . Am
Beispiel der Lausitzer Neiße hatten Experten der Landwirtschaft,
Bodenkunde, Wasserwirtschaft und Raumordung unter  Leitung von Prof.
Dr. Friedhelm Sieker, Universität Hannover, nachgewiesen, dass die
Wiederbelebung des Bodens als Wasserspeicher insbesondere in der
Landwirtschaft neue Wege für den Hochwasserschutz eröffnet und durch
konservierende Bodenbearbeitung ein Hochwasserspeicher mit einer
Million Kubikmeter Fassungsvermögen geschaffen werden kann, ohne auch
nur einen Quadratmeter Flussaue dafür in Anspruch zu nehmen. "Das
Hochwasser dort zu bekämpfen, wo es entsteht, anstatt nur die Schäden
zu begrenzen", muss nach Siekers Worten das Ziel des künftigen
Hochwassermanagements sein. Die DBU förderte das Forschungsvorhaben
mit 350.000 Euro.
Das Grundprinzip des Hochwasserschutzes ist nach Siekers Worten
eigentlich sehr einfach: Für das Niederschlags- oder Schmelzwasser
müssen Speicher gefunden werden, in denen das Wasser bis zu seinem
Abtransport durch Bäche und Flüsse verweilen kann. Trotz dieses
einfachen Prinzips sei es bis heute nicht gelungen, einen
ausreichenden Hochwasserschutz in Deutschland zu verwirklichen.
Sieker: "Schlimmer noch: Es scheint, dass wir uns in den letzten
Jahren von diesem Ziel noch entfernt haben, da die Häufigkeit der
Hochwasserereignisse mit erheblichen Schäden offensichtlich
zugenommen hat. Die Konsequenz der alljährlichen
Hochwasserkatastrophen muss daher lauten: Wir brauchen größere
Speicher für das Regenwasser oder mehr Abflusskapazitäten für die
Bäche und Flüsse."
So berechtigt diese Forderungen seien, so schwer scheine ihre
Umsetzung zu sein. Der Ausbau von Flüssen und Bächen sei kostspielig
und stehe im Gegensatz zu den ökologischen Bestrebungen des
Gewässerschutzes. Der Bau konventioneller Hochwasserspeicher sei
nicht weniger kostenintensiv, schließlich geht es hierbei um Speicher
von mehreren tausend Kubikmetern Fassungsvermögen. Erschwerend komme
bei der Planung von Speicherbecken ein enormer Flächenbedarf hinzu
und zwar in Gebieten, in denen viele andere Flächennutzungen in
Konkurrenz träten. Die Flächen der Flusstäler würden intensiv durch
Siedlungen, Industrie und Landwirtschaft genutzt und nur ungern von
den betroffenen Gemeinden für den Hochwasserschutz reserviert. Es
falle schwer, Gemeinden von konventionellen Hochwassermaßnahmen zu
überzeugen, da ihr Engagement nicht ihnen, sondern den Gemeinden
flussabwärts zugute komme - für soviel Uneigennützigkeit fehle den
meisten Gemeinden das Geld. Sieker: "Die Verbesserung des
Hochwasserschutzes droht im Geflecht aus Ökonomie, Ökologie und
Verwaltungsgrenzen stecken zu bleiben."
Das DBU-Forschungsprojekt habe einen Ansatz gewählt, mit dem
dieser Gordische Knoten durchschlagen werden könne. Unabhängig davon,
ob es sich um Städte oder landwirtschaftliche Betriebe handele,
hätten die hier betrachteten Maßnahmen des vorbeugenden
Hochwasserschutzes den Vorteil, dass sie sowohl dem nutzten, der sie
ergreife, als auch den Anliegern flussabwärts.
Eine zweite Eigenschaft, mit der sich der vorbeugende
Hochwasserschutzes vom konventionellen Hochwasserschutz grundsätzlich
unterscheide, sei die Art des Speichers. Auf der Suche nach mehr
Speichervolumen für Regenwasser lohne es sich, über den Rand der
Flusstäler hinauszuschauen und einen Speicher wiederzubeleben, der
einen der größten natürlichen Wasserspeicher auf dem Land darstelle -
den Boden.
In Siedlungsgebieten lasse sich der Bodenwasserspeicher mit Hilfe
der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung aktivieren. Dabei werde
das Niederschlagswasser von Dach- und Verkehrsflächen über sogenannte
Mulden-Rigolen-Systeme in den Untergrund versickert und fließe von
dort allenfalls stark verzögert Bächen und Flüssen zu. Dagegen nehme
man bei der konventionellen Regenentwässerung durch Kanäle in Kauf,
dass der Boden unter Städten als Wasserspeicher verloren gehe. Häufig
werde in diesem Zusammenhang die zunehmende Versiegelung der
Landschaft pauschal als Grund für die Häufung der Hochwasser genannt.
Aus der Sicht des Hochwasserschutzes sei es jedoch das falsche System
der Entwässerung, das zu negativen Folgen führe.
Dass es auf Ackerflächen notwendig sei, durch gezielte Maßnahmen
den Bodenwasserspeicher zu erschließen, überrasche auf den ersten
Blick - schließlich seien landwirtschaftliche Flächen abgesehen von
den Wirtschaftswegen unversiegelt. Untersuchungen der Sächsischen
Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zeigten aber, dass
konventionell bearbeitete, also gepflügte Ackerflächen weit weniger
Wasser aufnehmen könnten als Wald- oder Wiesenböden. Ursache hierfür
sei die durch das Pflügen gestörte Bodenstruktur. In ihrem Bemühen,
den erhöhten Abfluss auf der Oberfläche und die damit einhergehende
Bodenerosion auf den sächsischen Lößböden zu verringern, seien die
Experten der LfL auf die konservierende Bodenbearbeitung gestoßen.
Bei dieser auch als Mulchsaat-Technik bezeichneten Form des Ackerbaus
verblieben Ernterückstände auf dem Feld und würden, statt
untergepflügt zu werden, nur oberflächlich in den Boden
eingearbeitet. Das Resultat seien mehr Bodenorganismen, eine
stabilere Bodenstruktur, mehr Wasseraufnahmefähigkeit selbst bei
extremen Niederschlagsmengen und somit ein optimal genutzter
Bodenspeicher unter Ackerflächen.
Es bleibe zu beantworten, wie groß das Speichervolumen des
reaktivierten Boden nun tatsächlich sei und welche Auswirkungen die
Aktivierung dieses Speichers auf Hochwasser der Vergangenheit gehabt
hätte. Dies sei die zentrale Frage dieses Forschungsvorhabens gewesen
und habe konkret für das Beispiel Lausitzer Neiße im Bereich zwischen
Zittau und Görlitz beantwortet werden sollen. Basierend auf den
Untersuchungen und Analysen von Bodenkundlern und
Landwirtschaftsexperten erstellten Wasserwirtschaftler ein
Computermodell, das in der Lage sei, die Wege des Wassers im
Einzugsgebiet der Lausitzer Neiße detailliert nachzubilden. Je nach
Art der Landnutzung, Bodenbeschaffenheit und Topographie könne mit
dem Computer berechnet werden, wie sich der vorbeugende
Hochwasserschutz auswirke. Die Computer-Berechnungen hätten die
Bestätigung dafür geliefert, dass der Wasserspeicher Boden ein
entscheidender Faktor bei der Bekämpfung von Hochwasser sei.
Würden 25 Prozent der Ackerfläche im deutschen Einzugsgebiet der
Lausitzer Neiße mit Mulchsaat-Technik bewirtschaftet, würde sich die
abfließende Wassermenge bei mittleren und extremen Hochwassern um
drei bis vier Prozent verringern. Sieker: "Anders ausgedrückt
bedeutet dies, dass eine Million Kubikmeter weniger Wasser in der
Hochwasserwelle abfließen." Ein Beispiel, das deutlich mache, wie
wirksam der vorbeugende Hochwasserschutz sei, der damit Gemeinden in
den Tälern der Nebenflüsse und der Lausitzer Neiße neue Wege zum
Hochwasserschutz eröffne. Ganz konkret sei in diesem Projekt der Fall
der Stadt Ostritz mit dem Kloster St. Marienthal untersucht worden,
die in der Vergangenheit mehrfach von Hochwasser heimgesucht worden
seien. 25 Prozent konservierende Bodenbearbeitung entschärften
nachhaltig die Hochwassersituation im Neißetal. Dadurch werde eine
zurzeit umstrittene Eindeichung für das Kloster und die Stadt
möglich, ohne dass es durch den Verlust von diesen bisherigen
"Überschwemmungsflächen" zu einer sonst zu erwartenden Verschärfung
der Hochwassersituation flussabwärts komme.
Hinweis an die Redaktionen: 
Fotos und Grafiken zum Thema finden Sie unter 
www.ostritz-st-marienthal.de, 
www.kloster-marienthal.de, 
www.umwelt.sachsen.de/lfug/hwz/, 
www.hochwasser.de, 
www.dbu.de, 
http://www.iww.uni-hannover.de/Aktuelles/Abschluss.htm .
Für fachliche Fragen wenden Sie sich bitte an Prof. Dr. Friedhelm
Sieker, Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und landw.
Wasserbau, 
Tel.: 03342/3595-26, E-Mail:  d.wilcke@sieker.de .

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