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Peer Steinbrück (SPD) zur Rentengarantie der Großen Koalition: "Einer meiner schwersten Fehler."

Hamburg (ots)

Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hält die 2009 von der Großen Koalition beschlossene Rentengarantie für einen schweren politischen Fehler: "Ich hätte nicht mitmachen dürfen! Das war ein Tabubruch", sagt Steinbrück in der NDR-Dokumentation "Steinbrücks Blick in den Abgrund - Macht und Ohnmacht eines Krisenmanagers" (Sendetermin: Mittwoch, 4. August, 22.45 Uhr, Das Erste): "Ich habe letztlich am Kabinettstisch mitgestimmt. Das war - im Sinne der Generationsgerechtigkeit - eine falsche Entscheidung." Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hatte die Schutzklausel für Rentner vor einer Woche erneut in Frage gestellt und dafür Kritik von CSU-Chef Horst Seehofer, aber auch vom stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz geerntet.

Autor Stephan Lamby traf den ehemaligen Finanzminister für seinen Film über mehrere Wochen immer wieder zu Gesprächen vor der Kamera; dabei gab Steinbrück einen ungewohnt persönlichen Einblick in Deutschlands schwerste Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik. Zudem begleitete der Autor Peer Steinbrück durchs Berliner Regierungsviertel, bei Fahrten in die deutsche Provinz und zu einem Gespräch mit Altkanzler Helmut Schmidt.

Die Wirtschaftskrise in Deutschland sei noch lange nicht zu Ende, sagt der ehemalige Finanzminister Steinbrück in der vom NDR in Auftrag gegebenen ARD-Dokumentation: "Der Tiefpunkt wird innerhalb der nächsten zwei Jahre erreicht sein. Ich halte die bestehenden Risiken für so groß, dass ich uns noch nicht auf dem aufsteigenden Ast sehe." Den positiven Signalen aus der Wirtschaft misstraut Steinbrück: "Wir werden zwar einen Aufstieg erleben. Aber dann wird es noch einmal einen Einbruch geben!" Grund für seine eher düstere Prognose sind "die Überhitzungen auf einigen asiatischen Märkten, auch die Entwicklung von Rohstoffpreisen." Die politische Klasse sei mit der aktuellen Situation überfordert: "Die Märkte steuern im Augenblick die Politik. Die Politik trabt den Entwicklungen hinterher."

Selbstkritisch gesteht Peer Steinbrück eigene Fehleinschätzungen ein. So habe er sich etwa bei den Rettungsversuchen von Opel im Frühjahr 2009 geirrt. "Die Bürger haben nicht in der von der SPD erwarteten Solidarhaltung, sondern als Steuerzahler reagiert. Als Steuerzahler fiel ihnen ein: Warum sollen wir - bei ohnehin bestehenden Überkapazitäten im Automobilbau - ein solches Unternehmen retten? Das war eine strategische Fehleinschätzung der SPD."

Und mit dem Krisenmanagement, an dem Peer Steinbrück bis zur Wahlniederlage der SPD im Herbst 2009 als Bundesfinanzminister beteiligt war, ist er heute nicht mehr ganz zufrieden. Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom Oktober 2008 sei zwar gelungen, auch die Verstaatlichung der Hypo Real Estate sei richtig gewesen. "Aber international, in der Eurozone und der EU, hätten wir schneller und rigider handeln müssen. Da haben wir uns zuviel Zeit genommen. Vor allem beim Umgang mit den nicht-regulierten Märkten, auch mit Hedgefonds. Und bei der Frage, wie wir die Finanzmarktaufsicht international verbessern können. Wir haben dort zwar die richtigen Absichten gehabt, aber es dauerte letztlich zu lange."

Ganz aus der Politik verabschieden will sich Peer Steinbrück offenbar nicht. Auf die Frage "Können Sie sich vorstellen, für Bundeskanzlerin Merkel - über alle Parteigrenzen hinweg - als Sonderberater Finanzen tätig zu sein?" antwortet Steinbrück in dem Film wörtlich: "Wenn es die Situation erfordert und wenn es aus der Interessenlage des Landes richtig ist, dann würde ich das nicht ablehnen." Allerdings habe er keine Ambitionen auf das Amt des Bundeskanzlers: "Sie werden mich nicht an den Gitterstäben des Kanzleramts erleben. Ich werde da allenfalls noch als Besucher reingehen."

Weitere Zitate von Bundesfinanzminister a. D. Peer Steinbrück aus dieser Dokumentation:

   - Prognose zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland:

"Es mehren sich Indikatoren, dass ein vorsichtiger Aufstieg noch einmal unterbrochen werden wird. Ich sehe mit Skepsis die Überhitzungen auf einigen asiatischen Märkten. Ich sehe mit großer Skepsis die Entwicklung von Rohstoffpreisen. Und ich glaube, dass wir auch in Europa nicht aus den Problemen herauswachsen. Das Wachstum wird uns nicht vor einigen Maßnahmen retten, die auch noch einmal konjunkturdämpfend wirken werden."

   - über die Zukunft Europas:

"Ich bin sehr besorgt über die Entwicklung Europas. Ich glaube, dass wir mit den bisherigen Maßnahmen und Rettungspaketen noch nicht ein Licht des Tunnels sehen. Europa gerät an die Peripherie des Weltgeschehens und schwächt sich selber. Und das bereitet erhebliche Sorgen."

   - zu Rücktrittsgedanken im Frühjahr 2009

"Ich selber habe mich dieser Frage (eines Rücktritts) zwei, drei Mal gewidmet. In einem Fall sehr ernsthaft. Das war im Fall von Hypo Real Estate. Da hatte der Staat inzwischen über 80 Milliarden Garantien, bei einer Börsenkapitalisierung dieser Bank von höchstens 200 Millionen. Da hielt ich es bei diesen hohen staatlichen Risiken für zwingend erforderlich, auch den Einfluss in dieser Bank gegebenenfalls über eine Verstaatlichung zu gewinnen. Wenn ich dies nicht hätte durchsetzen können im Januar/Februar 2009, dann hätte ich die Rücktritts-Frage gegenüber der Kanzlerin stellen müssen."

   - zum Zustand der politischen Klasse und zur Vertrauenskrise in 
     Deutschland

"Die Politiker haben inzwischen bei weiten Teilen der Bevölkerung einen solchen Vertrauensverlust, dass dies zu einem erheblichen Problem werden könnte. Die personellen Auswahlmechanismen der Politik und die Art ihrer Auftritte müssen sich fundamental ändern, um dieses Vertrauen zurückzugewinnen."

Veröffentlichung von Zitaten frei bei Quellenangabe.

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