Pensionen: Bund investiert mehr als 500 Millionen in Kohle, Öl und Gas
Hamburg (ots)
Kohlekonzerne, Ölmultis, Gasfirmen: Aus den Pensionsfonds für seine Bundesbeamten investiert der Bund mehr als 500 Millionen Euro in die Aktien fossiler Unternehmen. Das hat das Bundesinnenministerium auf Anfrage des ARD-Politikmagazins "Panorama" eingeräumt. So investieren die Pensionsfonds unter anderem in Aktien des Mineralölkonzerns ExxonMobil, der seit Jahren für seine Unternehmenspolitik in der Kritik steht.
Dabei hatte der Bund im vergangenen Jahr beteuert, die Anlagen auf einen nachhaltigen Standard umstellen zu wollen. Eigens für seine Pensionsfonds hatte der Bund im vergangenen Jahr daher zwei angeblich klimafreundliche Aktienindizes mit insgesamt rund 140 Aktien zusammenstellen lassen, denen er mit einem Teil des Pensionsgelds folgen will. Im eigens für den Bund konstruierten Aktienindex "Euronext V.E ESG- World-Select 75 Bund/SV Index" findet sich jedoch der Mineralölkonzern Exxon unter den größten zehn Mitgliedern. "Panorama" liegen Unterlagen, angefertigt für das Innenministerium, vor, die zeigen, dass der Bund in weit mehr fossile Aktien investiert, auch von Kohle- und Gasunternehmen. Auf Nachfrage räumt das Bundesinnenministerium ein, dass es mehr als 500 Millionen Euro in fossile Titel aus der Kohle-, Öl- und Gasbranche investieren lässt.
Exxon Mobil bestätigt auf Anfrage, zum Beispiel Ölsande im kanadischen Alberta zu fördern, was Klimaschützer aufgrund der CO2-Bilanz besonders bedenklich finden. Exxon bemühe sich aber immer, seine Technologien zu verbessern und die Auswirkungen auf Land, Wasser und Luft zu reduzieren.
Bei den Anlagetöpfen geht es um vier Sondervermögen des Bundes, mit denen das Bundesinnenministerium künftig die Pensionen seiner eigenen Beamten bezuschussen will. So sollen mit der "Versorgungsrücklage des Bundes" und dem "Versorgungsfonds" die Pensionen von Bundesbeamten, Soldaten und Bundesrichtern finanziert werden, außerdem soll der "Versorgungsfonds für die Bundesagentur für Arbeit" die Altersbezüge von deren Mitarbeitern und der "Pflegevorsorgefonds" die allgemeinen Pflegekassen entlasten. Insgesamt liegen in diesen vier Töpfen knapp 50 Milliarden Euro, davon rund 10 Milliarden Euro in Aktien, um den Ertrag zu erhöhen.
Der Bund argumentiert, seine Portfolios bereits auf nachhaltigen Kurs gebracht zu haben. Besonders umstrittene Anlagen etwa in Hersteller von Streubomben, Kernkraftfirmen oder Tabakunternehmen seien in den Staatsportfolios seit rund einem Jahr ausgeschlossen. Und bei den fossilen Energien handele es sich bloß noch um "Brückentechnologien", teilt das Bundesinnenministerium mit. Außerdem solle in den Pensionsfonds "der Ausschluss ganzer Branchen vermieden werden." Je stärker in Unternehmen unterschiedlicher Branchen investiert werde, desto geringer sei das Risiko für die Pensionsfonds.
Klimaschützer zeigen sich angesichts dieser Argumentationslinie des Bundes irritiert: "Der Bund und speziell das Bundesinnenministerium muss seine Aktien aller Fossil-Konzerne sofort verkaufen, wenn es nicht als Klimakiller dastehen will", sagt Mathias von Gemmingen, der sich bei der Klimaorganisation "Fossil Free Berlin" seit Jahren mit den staatlichen Pensionsinvestments beschäftigt. Auch Experten bezweifeln, dass die Pensionsinvestments des Bundes auf fossile Aktien angewiesen sind. Finanzprofessor Andreas Hackethal vom Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE ist der Ansicht, dass ein Ausschluss fossiler Aktien aus den staatlichen Pensionsfonds Signalwirkung haben könnte: "Ansonsten ist der Bund angreifbar, sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen zu schreiben und hier nicht genau hinzuschauen", sagt Hackethal.
Klimaaktivisten verweisen auf das Vorbild des Berliner Senats: Das Land Berlin war mit seinen Pensionsfonds noch vor wenigen Jahren dem deutschen Leitindex DAX und dem europäischen Börsenbarometer Eurostoxx 50 gefolgt, damit also auch fossilen Aktien. 2016 jedoch ließ das Land einen nachhaltigen Aktienindex konstruieren, der fossile Aktien ausschließt. Ob der Bund unter der neuen Ampelkoalition an seiner Nachhaltigkeitsstrategie noch einmal Änderungen vornehmen wird, ist derzeit unklar.
Das ARD-Politmagazin Panorama sendet am Donnerstag, 21. Juli., um 23:15 Uhr im Ersten.
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