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Kölnische Rundschau: zu Kardinal Meisner/NS-Vergleich

Köln (ots)

Sechseinhalb Jahrzehnte nach dem Tod Hitlers gilt
immer noch, was Ernst Nolte 1986 in einem umstrittenen Redemanuskript
formuliert hat:
Die NS-Zeit will nicht vergehen, sondern ist "wie ein Richtschwert 
über der Gegenwart aufgehängt". Der Kölner Kardinal Joachim Meisner 
hat es am Sonntag gegen den militanten Atheisten Richard Dawkins 
geschwungen. Und der brandenburgische Ministerpräsident Matthias 
Platzeck (SPD) hat dem ständigen Maßnehmen eine skurrile Variante 
hinzugefügt. Platzeck rechtfertigt seine Koalitionsbildung mit der 
Ex-SED damit, Kurt Schumacher habe sich für die Integration 
ehemaliger Waffen-SS-Leute stark gemacht. Er tauscht also das
Richtschwert gegen die Waage: Was Schumacher machte, darf Platzeck 
auch. Der Vergleich ist kompletter Unfug. Zwar haben Ex-Mitglieder 
der Waffen-SS jeweils einzeln Karriere gemacht (bei der SPD etwa der 
Dortmunder Ex-OB Günter Samtlebe), aber kein demokratischer
Politiker hat die damals längst aufgelöste Waffen-SS als Ganzes wie 
heute die Linkspartei integrieren wollen oder akzeptiert Sprüche wie 
"Ruhm und Ehre der Waffen-SS". Die Linkspartei dagegen setzt die SED 
als Organisation fort. Maßgebliche Teile dieser Partei verharmlosen 
das SED-Unrecht, das andererseits nicht sinnvoll mit Babi Jar oder 
Oradour zu parallelisieren ist. Wäre es anders,
müsste Platzeck für ein Verbot der umlackierten SED statt für
eine Koalition werben. Dagegen hat Kardinal Meisner ein Indiz auf 
seiner Seite: Dawkins macht aus der Evolutionsbiologie eine 
atheistische Ersatzreligion. Das haben auf andere Art Hitler und 
übrigens auch Stalin versucht, und neuerdings meint Dawkins sogar, 60
Jahre nach Hitler dürfe man wieder über Menschenzüchtung nachdenken. 
Grobe Klötze, auf die grobe Keile gehören. Trotzdem: Dawkins' These 
vom "egoistischen Gen" weicht entscheidend von den
"rassenbiologischen" Ideen Hitlers ab, den er ausdrücklich als
"Monster" bezeichnet. Mit dem "Richtschwert" NS-Vergleich ist seine 
gefährliche Ideologie nicht wirklich zu treffen, das Schwert selbst 
aber droht dabei abzunutzen.

Pressekontakt:

Kölnische Rundschau
Engelbert Greis
print@kr-redaktion.de

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