Deutscher Zigarettenverband (DZV)
Tabakbranche fordert Regulierungsmoratorium
Totalüberwachungspläne der EU-Kommission für die Lieferkette wirklichkeitsfremd
Dortmund (ots)
Der Markt für Tabakprodukte hat sich im ersten Halbjahr 2017 weitgehend stabil entwickelt. Die deutschen Konsumenten zeigen sich bislang von den neu eingeführten Schockbildern auf den Packungen von Zigaretten und Feinschnitttabak bzw. neuen Textwarnhinweisen bei Zigarren, Zigarillos und Pfeifen- sowie Schnupftabak, wie erwartet, kaum beeindruckt. Hersteller und Handel haben die im vergangenen Jahr in Deutschland umgesetzten Vorgaben der EU-Tabakproduktrichtlinie in die betrieblichen Abläufe integriert. Insbesondere die vielfältige mittelständische Tabakwirtschaft wird jedoch durch die deutlich gestiegenen bürokratischen Verpflichtungen weiterhin vor erhebliche Probleme gestellt.
Tabakbranche fordert Regulierungsmoratorium
Mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl formulierte Jan Mücke, Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbands (DZV), die Erwartungen der Tabakwirtschaft an die nächste Bundesregierung: "Die vergangenen beiden Jahre haben für die Branche mit der Einführung von Schockbildern, umfangreichen Zusatzstoffverboten, fehlenden Produktionsumstellungsfristen und rechtswidrigen Vorschriften für die Warenpräsentation gravierende Markteingriffe gebracht, mit deren Auswirkungen die Unternehmen der deutschen Tabakwirtschaft bis heute zu kämpfen haben. Im Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschland, der einhunderttausend Beschäftigten in der Wertschöpfungskette Tabakwirtschaft und unserer Kunden ist jetzt ein Innehalten nötig. Wir brauchen dringend ein Regulierungsmoratorium für die kommende Legislaturperiode und keine neuen Verbote und bürokratischen Lasten", sagte Mücke heute in Dortmund. Die neue Bundesregierung müsse nun die Folgen des neuen Rechtsrahmens über einen längeren Zeitraum beobachten, eine kritische Reflektion der bisherigen Regelungen sei erforderlich. Andernfalls bestehe nicht nur ein Risiko für die deutsche Tabakwirtschaft, sondern auch für andere Konsumgüterindustrien wie die Hersteller alkoholischer Getränke oder zucker-, salz- oder fetthaltiger Lebensmittel. In Deutschland dürfe es nicht weiter leichtfertig zu Einschränkungen marktwirtschaftlicher Grundregeln kommen.
Rückverfolgbarkeit: EU-Kommission will Totalüberwachung
Die Europäische Kommission bereitet indessen schon mit einem neuen Gesetzespaket einen weiteren massiven Eingriff mit schwer abschätzbaren Folgen für den Tabakmarkt vor. Am 4. September präsentierte sie ihre Pläne für ein Tracking & Tracing-System für Tabakprodukte, mit dem ab 2019 bzw. 2024 der Weg jeder einzelnen Packung über die gesamte Lieferkette, vom Hersteller bis zum Handel, erfasst werden soll. Patrick Engels, Vorsitzender des Verbands der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR) kommentierte das Vorhaben aus Brüssel: "Das geplante Tracking & Tracing-System für Tabakwaren geht vollständig am Ziel der Schmuggelbekämpfung vorbei: Produkte wie Feinschnitt, Pfeifentabak, Zigarren und Schnupftabak werden nicht illegal gehandelt." Ursprüngliches Ziel war die Bekämpfung des Schwarzmarktes, nun will die Kommission eine lückenlose Totalüberwachung der gesamten legalen Tabakwertschöpfungskette. Die vorgesehenen Maßnahmen reichen von Videoüberwachung in den Fabriken, über bis zu 50-stellige Packungscodes, die auf viele Verpackungsformate wie zum Beispiel beim Schnupftabak gar nicht passen, bis hin zur Registrierung aller Herstellungsmaschinen, Lager und Verkaufsstellen einschließlich des kleinen "Kiosks um die Ecke". Patrick Engels führte weiter aus, dass die legale Wertschöpfungskette in einem Maße überwacht werden soll, das gerade mittelständische Betriebe vor existenzielle Herausforderungen stellt, während die Zigarettenschmuggler sogar einen Wettbewerbsvorteil erlangen. "So etwas kommt heraus, wenn die Federführung bei der Einführung eines Anti-Schmuggel-Systems nicht dem Zoll, sondern der EU-Gesundheitsbehörde unterliegt," erklärte Engels.
Mittelstand unverhältnismäßig betroffen
Die Kosten für Einrichtung und Betrieb des technisch hochkomplexen Überwachungsregimes müssten von der Tabakwirtschaft getragen werden. Gerade für kleine und mittelständische Betriebe wäre dieser neueste Eingriff aus Brüssel schlicht nicht finanzierbar. Besonders Hersteller von Zigarren und Zigarillos, Pfeifentabak und Schnupftabak wären unverhältnismäßig betroffen, da für sie die gleichen Regelungen greifen sollen, ohne dass für ihre Produkte überhaupt eine Schmuggelproblematik existiert. Bodo Mehrlein, Geschäftsführer des Bundesverbands der Zigarrenindustrie (BdZ), appellierte deswegen an die Politik: "Die Bundesregierung darf nur Regelungen zustimmen, die einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten - dies ist bei den durch die EU vorgelegten Entwürfen nicht der Fall. Eigentlich müssten Zigarren und Zigarillos von dem System der Rückverfolgbarkeit ausgenommen werden; zumindest müsste ein solches System aber die Besonderheiten der mittelständischen Zigarrenindustrie berücksichtigen und gewisse Ausnahmen enthalten."
Stellvertretend für den Handel mahnte Rainer von Bötticher, Präsident des Bundesverbands des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE), ein auf international anerkannten Standards basierendes System an, mit dem kostspielige Sonderlösungen für das Tabaksortiment auf Handelsebene vermieden werden: "Die zu findende Systemlösung muss für alle Unternehmensgrößen kompatibel sein, um Insellösungen und Parallelstrukturen zu vermeiden. Im Idealfall sollte das offene System nicht nur tabakspezifisch, sondern produkt- und sortimentsübergreifend, national und international einsetzbar sein."
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