Weltweite ai-Kampagne zu Saudi-Arabien: Ein Königreich für die Menschenrechte! Hinrichtungen, Folter, unfaires Justizsystem - und die Welt schaut zu
Bonn (ots)
amnesty international richtet das Augenmerk auf Saudi-Arabien / Von allen Seiten wird das Land trotz massiver Menschenrechtsverletzungen geschont / Öffentliche Enthauptungen, Auspeitschungen, Prozesse hinter verschlossenen Türen / ai fordert Resolution der UN-Menschenrechtskommission
Damit die katastrophale Menschenrechtslage in Saudi-Arabien endlich öffentliche Aufmerksamkeit findet, hat amnesty international heute eine weltweite Kampagne gestartet. In allen Teilen der Welt werden Mitglieder der Menschenrechtsorganisation in den nächsten Wochen und Monaten gegen Hinrichtungen, Folter, ein unfaires Justizsystem und religiöse Intoleranz im Golfstaat protestieren. "In den vergangenen Jahren ist es Saudi-Arabien immer wieder gelungen, sich der Menschenrechtsdiskussion zu entziehen, beispielsweise innerhalb der Vereinten Nationen", kritisiert ai-Generalsekretärin Barbara Lochbihler. Auf der zurzeit laufenden Sitzung der UN-Menschenrechtskommission in Genf könnte eine Resolution zu Saudi-Arabien ein wichtiges Signal gegen das Schweigen setzen.
Während die Welt tatenlos den Menschenrechtsverletzungen zusehe, herrscht im Königreich selbst nach Angaben von amnesty international ein Klima der Angst: Menschen werden festgenommen und inhaftiert, ohne dass man ihnen sagt, warum. Gefängnisaufseher foltern Inhaftierte so lange, bis diese ein von der Polizei verfasstes "Geständnis" unterschreiben. Auf Grund solcher "Geständnisse" finden sich viele Menschen vor Gericht wieder. In Schnellverfahren, die hinter verschlossenen Türen stattfinden, gibt es keinen Rechtsanwalt und keine Möglichkeit, sich selbst zu verteidigen. Außer mit einer Haftstrafe kann ein solches Verfahren auch mit einem Todesurteil und anschließender öffentlicher Enthauptung enden. Auch Amputationen, Stockschläge oder Peitschenhiebe sind mögliche Formen der Bestrafung.
Menschenrechtsverletzungen werden in Saudi-Arabien dadurch begünstigt, dass es keine politischen Parteien, keine Wahlen, keine unabhängige Legislative, keine Gewerkschaften, keine Anwaltskammern, keine unabhängige Justiz und keine Menschenrechtsorganisation gibt. Jeder, der das ganz und gar vom Königshaus geprägte System in Frage zu stellen wagt, wird hart bestraft. So verbringen eine große Anzahl von politischen Gefangenen manchmal Jahre hinter Gittern, weil sie Kritik geäußert haben. Andere Langzeitgefangene sind in den Verdacht geraten, mit der oppositionellen Organisation CDLR, die ihren Sitz in London hat, in Kontakt zu stehen. Anhänger des christlichen Glaubens werden nach unfairen Verfahren zu oft langen Haftstrafen verurteilt. Staatsreligion in Saudi-Arabien ist der sunnitische Islam in der orthodoxen Auslegung der Wahhabiten. Jede andere Religion ist verboten.
Im Mittelpunkt der Kritik von amnesty international steht das Rechtssystem, das auf der Scharia, der islamischen Rechtsprechung, beruht. "Menschenrechte sind nichts Christliches oder Westliches, sondern ein von allen Staaten prinzipiell anerkanntes universelles Regelwerk", sagt Barbara Lochbihler. "Unsere Kritik ist deshalb keine Verurteilung von islamischen Werten und Normen. Wir kritisieren Übergriffe, die internationalen - auch islamischen - Menschenrechtsstandards eklatant zuwiderlaufen. Willkürliche Inhaftierungen, Folter zur Erpressung von Geständnissen, staatliche Morde sind inhuman und haben mit islamischer Rechtsprechung nichts zu tun. Wenn sie in islamischen Ländern wie Saudi-Arabien dennoch passieren, sind die Ursachen und Rechtfertigungen nicht anders als in menschenrechtsverletzenden Staaten überall in der Welt."
103 Hinrichtungen hat amnesty international im vergangenen Jahr registriert, davon waren in 64 Fällen Ausländer betroffen. Gastarbeiter sind nach Angaben von amnesty international vom Unrecht der Justiz in besonderem Maße betroffen. Etwa sechs der 19 Millionen Einwohner Saudi-Arabiens sind ausländische Arbeitnehmer, vor allem aus Afghanistan, Pakistan, Indien, Sri Lanka, Indonesien, den Philippinen, Eritrea und Nigeria. Wenn Ausländer festgenommen werden, sind sie vielfach benachteiligt: Denen, die kein Arabisch sprechen, wird längst nicht immer ein Dolmetscher zur Verfügung gestellt. Manchmal wird ihnen erklärt, was sie unterschreiben sollten, sei ein Papier für ihre Freilassung - später entpuppt es sich als ihr "Geständnis".
Auch Frauen sind besonders von der Einschränkung ihrer Rechte betroffen. Unter Androhung von Strafe müssen sie in der Öffentlichkeit von Kopf bis Fuß verhüllt sein. Sie dürfen nicht Auto fahren und nur in Begleitung eines nahen männlichen Verwandten aus dem Haus gehen. Dass dies ihre Bewegungsfreiheit einschränkt, ist offensichtlich. Unterdessen versucht die Königsfamilie, alle Türen nach außen verschlossen zu halten. Die Kontrolle und Zensur der Medien wurde nicht gelockert.
Seit 1996 hat Saudi Arabien drei Menschenrechtsabkommen ratifiziert - die Konvention über die Rechte des Kindes, die Anti-Folter-Konvention und das Abkommen über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung. "Das sind erste Schritte, auch wenn eine Unterschrift noch keine unmittelbare Auswirkung auf die Praxis hat. Es ist die Umsetzung der Verpflichtungen aus diesen Abkommen, auf die es ankommt - und da stehen die Verbesserungen noch aus", sagt Barbara Lochbihler.
amnesty international fordert deshalb die Vereinten Nationen, aber auch die Bundesregierung auf, gegenüber Saudi-Arabien die Menschenrechtsverletzungen offen und deutlich anzusprechen. "Menschenrechte sind universell gültig. Es darf bei der Kritik keine Rücksichtnahmen aus wirtschaftlichen oder geo-strategischen Gründen geben", sagt Barbara Lochbihler. "Saudi-Arabien ist ein wichtiger Verbündeter der USA im Golf. Das kann aber kein Freibrief für Menschenrechtsverletzungen sein. Von der UN-Menschenrechtskommission erwarten wir deutliche Worte." In den vergangenen Jahren ist Saudi-Arabien nie öffentlich gerügt worden. Im Gegenteil: Sogar aus dem vertraulichen so genannten 1503-Verfahren, innerhalb dessen nicht-öffentliche Verhandlungen zur Verbesserung der Menschenrechtslage stattgefunden haben, ist Saudi-Arabien entlassen worden.
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