amnesty international zur Reise des Bundestagspräsidenten in den Iran / Thierse soll Freilassung politischer Gefangener anmahnen
Berlin (ots)
Eindringlicher Appell an Thierse / Gewaltlose politische Gefangene zu Unrecht in Haft / amnesty international fordert, bei iranischer Führung auch Justizsystem anzusprechen
Die Menschenrechtsorganisation amnesty international hat vor der Reise des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse in den Iran eindringlich an den Politiker appelliert, die Menschenrechte bei seinen Gesprächen mit der iranischen Führung zur Priorität zu machen. "Die Meinungsfreiheit ist im Iran nicht gewährleistet", kritisiert Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international. "Wolfgang Thierse soll sich bei seinen Gesprächspartnern für die Freilassung der sieben gewaltlosen politischen Gefangenen einsetzen, die nach dem Besuch einer Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung im letzten Jahr verhaftet und am 13. Januar 2001 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden."
Unter ihnen ist der Journalist Akbar Ganji, dessen Recherchen zu Morden an Regimegegnern vor zwei Jahren die Beteiligung des iranischen Geheimdienstes aufdeckte. Er erhielt 10 Jahre Haft für die "Beleidigung des Ayatollah Khomeini" und die "Verbreitung von Propaganda gegen das islamische System". In der Haft während des Prozesses wurde er Berichten zufolge von Wachpersonal getreten und geschlagen und in Einzelhaft ohne Kontakt zu seiner Familie oder einem Anwalt gehalten.
Auch der Dolmetscher Saeed Sadr wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Gegen den Dolmetscher und Übersetzer Khalil Rostamkhani wurden neun Jahre, gegen den Chefredakteur der inzwischen verbotenen Zeitschrift "Iran-e-Farda" Ezzotollah Sahabi vier Jahre Haft verhängt. Ebenfalls vierjährige Haftstrafen erhielten die beiden Frauen- und Menschenrechtlerinnen Mehrangiz Kar und Shahla Lahiji. Über Anklagen gegen Mehrangiz Kar wegen "Verstoßes gegen die islamische Kleiderordnung" steht ein Gerichtsurteil noch aus. Der Aufenthaltsort des zu viereinhalb Jahren Haft verurteilten Studentenvertreters Ali Afshari ist zur Zeit weder seiner Familie noch seinem Anwalt bekannt. amnesty international betrachtet alle sieben Verurteilten als gewaltlose politische Gefangene, die nur von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht haben.
In den vergangenen Monaten hat amnesty international eine Zunahme schwerer Menschenrechtsverletzungen im Iran dokumentiert. "Es ist dringend notwendig, dass das Mandat des UN-Sonderberichterstatters für die Islamische Republik Iran während der im März beginnenden Sitzung der UN-Menschenrechtskommission in Genf verlängert wird und der Bundestagspräsident gegenüber der iranischen Regierung während seiner Reise darauf drängt, dass dieser Sonderberichterstatter nach mehreren Jahren der Verweigerung wieder eine Einreiseerlaubnis erhält", erklärt Barbara Lochbihler. "Bislang zeigt sich die Regierung Khatami überhaupt nicht kooperativ." 1984 hat die UN-Menschenrechtskommission den Sonderberichterstatter ernannt.
Besonders besorgt ist amnesty international über das Justizsystem im Iran. In den ersten drei Wochen dieses Jahres wurde mit 12 offiziell belegten Hinrichtungen ein deutlicher Anstieg der Vollstreckung von Todesurteilen verzeichnet. Viele Tatbestände, die bis zur Todesstrafe führen können, sind im Strafgesetzbuch nur vage umschrieben. Die Richter sind gleichzeitig Ankläger - damit ist eine unabhängige Rechtssprechung nicht möglich. Die Prozesse vor Sondergerichten und sogenannten Revolutionsgerichten finden häufig im Schnellverfahren und unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nach wie vor werden im Iran Körperstrafen wie Auspeitschen oder Amputationen von Gliedmaßen vollstreckt. Barbara Lochbihler: "Der deutsche Bundestagspräsident muss die Gespräche im Iran nutzen, um gegen diesen eindeutigen Verstoß gegen das Verbot der Folter und grausamer oder unmenschlicher Strafen zu protestieren und eine unabhängige Justiz nach internationalen Standards anzumahnen."
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