Niedersächsischer Innenminister kritisiert Werbung auf rechtspopulistischen Webseiten
"Report Mainz", 12.1.2016, um 21.45 Uhr im Ersten
Mainz (ots)
Von mehreren großen Unternehmen und Bundesbehörden fand sich Werbung auf rechtspopulistischen Seiten im Internet. Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" (Sendung heute, 12.1.2016, 21.45 Uhr im Ersten). Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) kritisierte dies im Interview mit "Report Mainz" scharf: "Ich finde das beschämend. Es sind Seiten auf denen gehetzt wird, rassistische Parolen verbreitet werden, anonyme User sich ausbreiten mit ihren fremdenfeindlichen und rassistischen Theorien, ihrem Hass auf andere. Das so etwas durch Werbung erst ermöglicht wird, ist für mich gelinde gesagt ein Skandal."
"Report Mainz" hatte die Webseiten "Politically Incorrect", "Kopp Online" und "Junge Freiheit" mehrere Wochen lang beobachtet. Dabei war immer wieder Werbung namhafter Firmen auf den Seiten aufgetaucht. Auf "Politically Incorrect" standen etwa Anzeigen der Deutschen Bahn und von Lufthansa. Auf "Kopp Online" war Werbung von Adidas, Aldi Süd, der Deutschen Bahn und VW zu sehen. Auf der Webseite "Junge Freiheit" tauchten Anzeigen der Deutschen Telekom, von Lufthansa, der Bundesarbeitsagentur und der Bundespolizei auf.
Prof. Andreas Zick, Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld, stufte die Webseiten im Interview mit "Report Mainz" als gefährlich ein: "Wir finden dort das wieder, was wir als Menschenfeindlichkeit bezeichnen. Massive Vorurteile gegen Zuwanderer. Stereotype über den Islam, Stereotype aber auch gegen viele andere Gruppen, auch sexistische Beiträge sind dabei. Das heißt die Webseiten reichen vom rechtspopulistischen bis hin zum rechtsextremen Spektrum." Prof. Andreas Zick erklärte weiter: "Politically Incorrect ruft direkt zu Wut und Hetze auf und ist brandgefährlich. Kopp Online ist im rechtsextremen Spektrum integriert, es werden viele gewalthaltige Bilder transportiert, Gewaltdistanz ist dort nicht mehr vorhanden. Die Junge Freiheit polarisiert in Zeiten, in denen wir viele Hasstaten gegen Flüchtlinge haben, immer weiter. Und sie integriert rechtspopulistische, ja rechte Menschen in ihr Medium und gibt ihnen Raum, dort weiter zu hetzen. Dass auf diesen Seiten Werbung auftaucht, ist ein absolutes Unding."
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius forderte mehr Sorgfalt bei der Werbung im Internet: "Mich ärgert am meisten daran die finanzielle Unterstützung, die diesen Seiten damit zuteilwird. Diese Seiten sind ohne Frage geistige Brandstifter, das muss man sehr deutlich so sagen. Es wird dringend Zeit, dass mehr Sensibilität im Umgang mit Werbung auf Webseiten dieser Art Platz greift." Auch Prof. Andreas Zick bewertete Werbung auf diesen Webseiten im Interview mit "Report Mainz" als gefährlich, denn sie lasse die Seiten seriöser wirken: "Wenn da im Hintergrund Firmen und Behörden auftauchen, befördern sie die Glaubwürdigkeit, befördern die Vertrauenswürdigkeit. Dann nehmen Rezipienten einfach die Informationen, die sie lesen, als viel harmloser wahr."
Unternehmen und Behörden arbeiten bei der Platzierung von Werbung im Internet meist mit Dienstleistern zusammen und buchen oft nicht gezielt eine bestimmte Webseite für ihre Werbung. Prof. Guido Zurstiege, Universität Tübingen, erklärte im Interview mit "Report Mainz": "Die Werbetreibenden folgen ihren potentiellen Kunden, wohin auch immer sie sich bewegen, und präsentieren ihnen dort völlig automatisch dann ihre Werbemittel. Dennoch hätten alle betroffenen Unternehmen diese Form der Fehlplatzierung vermeiden können." Denn die Werbetreibenden hätten die Möglichkeit, bestimmte Seiten zu sperren oder generell Seiten mit umstrittenen Inhalten auszuschließen, sodass ihre Anzeigen dort nicht erschienen.
Die Unternehmen und Behörden distanzierten sich auf Nachfrage von "Report Mainz" von den Inhalten der Webseiten und betonten, sie hätten nicht absichtlich dort geworben. Alle teilten mit, sie hätten die Werbung gestoppt und die Seiten nachträglich sperren lassen. Aldi schrieb nach Rücksprache mit seinem Dienstleister, die Ausschluss-Mechanismen hätten versagt. Die Deutsche Bahn erklärte, es sei nicht ersichtlich, wie es dazu kommen konnte. Die Deutsche Telekom bedauerte, dass dort trotz ihres Qualitätsanspruchs Werbung angezeigt wurde. Telekom und Adidas antworteten, bei der Vielzahl der Seiten sei Kontrolle schwierig. VW und Lufthansa gestanden Fehlbuchungen ein und kündigten an, die Prüfungen weiter zu verbessern. Auch Bundespolizei und Bundesarbeitsagentur sprachen von Versehen und Fehlern der Dienstleister. Die Bundesarbeitsagentur würde die entstandenen Kosten nicht begleichen.
Weitere Informationen unter www.reportmainz.de. Zitate gegen Quellenangabe "Report Mainz" frei. Pressekontakt: "Report Mainz", Tel. 06131/929-33351.
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