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Zeiten des Umbruchs: Egon Schieles letzte Jahre

Zeiten des Umbruchs: Egon Schieles letzte Jahre
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Wien (ots)

Leopold Museum zeigt umfassende Schiele Ausstellung mit mehr als 130 Werken

Im Frühling widmet das Leopold Museum dem zentralen Künstler der Sammlung eine große monografische Schau: In Zeiten des Umbruchs. Egon Schieles letzte Jahre: 1914–1918 ist erstmals der Fokus auf das Spätwerk gerichtet. Lediglich knapp zehn Schaffensjahre waren dem exzentrischen Künstler gegönnt, bevor er 28-jährig an der „Spanischen Grippe“ starb. In dieser Dekade schuf Schiele ein umfassendes OEuvre, welches insbesondere für seine malerischen Hauptwerke und jene Zeichnungen bekannt ist, in denen er sich mit eigenen Befindlichkeiten sowie der Selbstbefragung einer ganzen Generation auseinandersetzte. Ab 1914 erfuhr Schieles Leben dramatische private wie historische Wendungen, denen er sich anpassen musste und welche sich auf sein Schaffen auswirkten. Seine Selbstbezogenheit schwand und er wurde empfänglicher für äußere Realitäten, fokussierte auf neue Themen und veränderte seinen künstlerischen Stil.

Das spätere OEuvre, welches sich durch eine beruhigte, fließende und organische Strichführung, mehr körperliches Volumen und Realitätsnähe sowie durch gesteigertes Einfühlungsvermögen von den früheren Arbeiten unterscheidet, ist bis heute weniger bekannt. Anhand von mehr als 130 Werken aus der Museumssammlung sowie Leihgaben aus nationalen wie internationalen Institutionen und Privatsammlungen verwebt die in neun Themen gegliederte Ausstellung biografische mit künstlerischen Elementen. Die Schau erforscht die stilistischen und persönlichen Wandlungen Schieles und verleiht so neue Einblicke in seinen letzten Lebensabschnitt, welcher durch den unerwarteten Tod 1918 beendet wurde. Erstmals ausgestellt und im begleitenden Katalog vollständig publiziert ist das vom Kallir Research Institute bereitgestellte Tagebuch von Edith Schiele, in welchem seine Frau zwischen 1915 und 1918 ihre Erlebnisse und Gefühlsregungen festhielt.

Das Leopold Museum beherbergt mit knapp 300 Werken, darunter 48 Gemälde, die weltweit umfassendste und bedeutendste Sammlung von Arbeiten dieses herausragenden Protagonisten des Österreichischen Expressionismus. Dies ist dem frühen Spürsinn für die Qualität und Außergewöhnlichkeit künstlerischer Arbeiten sowie der obsessiven Sammelleidenschaft des Augenarztes Rudolf Leopold (1925–2010) zu verdanken. Gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth Leopold (1926–2024) teilte er eine nie enden wollende Begeisterung für den Maler und Zeichner, der zu Beginn ihrer Sammeltätigkeit – in den 1950er-Jahren – beinahe in Vergessenheit geraten war. Heute zählt Egon Schiele zu den international bekanntesten Künstler*innenpersönlichkeiten.

Hans-Peter Wipplinger, Direktor Leopold Museum

Von Schieles Suche nach dem Selbst zu lebensverändernden Umbrüchen

Bis heute üben Schieles Arbeiten eine ungebrochene Anziehungskraft auf Betrachtende aus. Ein Großteil der bis 1914 entstandenen Werke, darunter zahlreiche Selbstporträts, spiegelt in ausdrucksstarken Posen und wilder Gestik seine jugendliche Suche nach der eigenen Identität wider. Nach der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien 1914 blieb Schiele vorerst von militärischen Pflichten verschont und widmete sich weiterhin der Kunst und seiner neuen nachbarschaftlichen Bekanntschaft, Edith Harms.

Schieles Lieblingsschwester Gertrude „Gerti“ heiratete 1914 seinen Künstlerkollegen Anton Peschka, mit welchem sie eine voreheliche Liebesbeziehung und bereits eine gemeinsame Tochter hatte. Kurz nach der Hochzeit kam ihr Sohn zur Welt – Schiele war nun zweifacher Onkel. Zeiten des Umbruchs veranschaulicht, wie die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Familie von seinen familiären Beziehungen geprägt war: Während Mütter in seinen Arbeiten meist keine Beziehung zum Kind aufbauen und leblos wirken, werden Babys zum Symbol für Lebenskraft und Kreativität.

1915 heirateten Edith und Egon, kurze Zeit nach der schmerzhaften Trennung von seiner Lebensgefährtin Walburga „Wally“ Neuzil. Unmittelbar danach musste er nach Prag und später ins böhmische Neuhaus einrücken. Die Einschränkung der Freiheit, die Eindrücke des Krieges und die lebensverändernden Umstände der Ehe führten dazu, dass das jugendliche Seelenforschen und radikale formale Experimente nachließen. Seine allegorischen Gemälde wurden universeller und weniger selbstbezogen, die Porträts einfühlsamer, sein Stil im Allgemeinen realistischer.

Entfremdung und Einfühlungsvermögen

Um 1915 setzte sich Schiele vermehrt mit Paarmotiven auseinander. Trotz physischer Intimität mangelt es oft an emotionaler Verbundenheit, marionettenhaft Dargestellte vermitteln Entfremdung: Teil einer Paarbeziehung zu sein bedeutete für Schiele wohl, Aspekte seines Selbst zurücknehmen zu müssen.

Wenige Tage nach ihrer Hochzeit musste Schiele seine Frau aufgrund der Einberufung in die k. u. k. Armee in einem Prager Hotel zurücklassen. Nie zuvor war Edith so allein gewesen und ertrug die längeren Abwesenheiten ihres Mannes kaum. Sie füllte ihr Tagebuch, welches sie als ‚Trostbuch‘ bezeichnete und das im Leopold Museum erstmals präsentiert wird, mit Berichten über ihre unerträgliche Einsamkeit. Ihre Stimmungslage wechselte zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Ediths emotionale Bedürfnisse zwangen Schiele, sich auf eine für ihn völlig neue Weise mit menschlicher Intimität auseinanderzusetzen. Seine Kunst wurde einfühlsamer, als er versuchte, die wechselnden Stimmungen seiner Frau einzufangen: Er zeigte sie elegant, nachdenklich, reserviert oder etwa unversöhnlich. Seine Porträts halten eine eher verhaltene Person mit nachsinnendem und melancholischem Ausdruck fest.

Jane Kallir, Kuratorin der Ausstellung, Kallir Research Institute, New York City

Einfühlsame Porträts und Landschaften – Schieles Leben in der Armee

Schieles neue empathische Haltung wirkte sich auch auf andere Motive aus. Im Zuge diverser militärischer Dienste lernte er vor allem menschlich viel dazu. In Gesprächen mit Soldaten, Vorgesetzten oder Kriegsgefangenen erfuhr er von unterschiedlichen Schicksalen und Hoffnungen. Sein gesteigertes Einfühlungsvermögen spiegelt sich in zahlreichen Soldaten- und Offiziersporträts wider, welche ab 1915 entstanden; bis 1918 sind bis dato mehr als 40 solcher Bildnisse bekannt. Der neu entdeckte Realismus machte Schieles Porträts für Auftraggeber*innen attraktiver und er konnte seine Bekanntheit mit der Zeit auch durch das Malen prominenter Persönlichkeiten steigern.

Kerstin Jesse, Kuratorin der Ausstellung, Leopold Museum, Wien

Auch Schieles spätere Landschaftsbilder zeugen von einem verstärkt naturalistischen Zugang – im Gegensatz zu seinen frühen, oft stilisierten landschaftlichen Motiven mit teils anthropomorph anmutenden Elementen.

Erfolg, späte Akte und letzte Werke

1917 konnte Schiele nach Wien zurückkehren und war entschlossen, eine künstlerische Führungsrolle zu übernehmen. Eine druckgrafische Mappe mit Reproduktionen von Zeichnungen war bald ausverkauft und der Künstler wurde gebeten, bei der Umsetzung von Ausstellungen mitzuwirken. Schieles Linienführung wurde organischer und weniger sprunghaft, er zeigte sein Können in überlegten Körperhaltungen und perspektivischer Raffinesse. Während die Körper an Plastizität gewannen, verloren die weiblichen Dargestellten an Persönlichkeit und mutierten zu generischen Typen. Schiele begann einen Zyklus allegorischer Darstellungen zu gestalten, welcher die großen Themen des irdischen Daseins, des Todes und der Auferstehung behandeln sollte und den er in einem Mausoleum präsentieren wollte.

Kurz vor seinem 28. Geburtstag befand sich der Künstler auf dem Höhepunkt seiner Karriere und schmiedete Pläne für die Wiederbelebung der österreichischen Kunstszene der künftigen Nachkriegszeit. Edith, im sechsten Monat schwanger, und Egon Schiele starben jedoch im Oktober 1918 wenige Tage hintereinander an der „Spanischen Grippe“. Sie ließen die Geschichte ihrer Ehe unvollendet, so wie auch Schieles künstlerische Laufbahn ein jähes Ende fand.

Zur Ausstellung ist ein Katalog in deutscher und englischer Sprache in getrennten Auflagen erschienen, mit Beiträgen von Sandra Dzialek, Kerstin Jesse, Jane Kallir und Hannes Leidinger sowie einem Prolog von Hans-Peter Wipplinger, Edith Schieles vollständigen Tagebucheinträgen und einer von Simone Hönigl zusammengestellten Biografie.

Kuratorinnen: Kerstin Jesse, Jane Kallir

Link zur Ausstellungsseite

Link zu ausführlichen Presseunterlagen und druckfähigem Bildmaterial

Eröffnungsfeierlichkeiten

Der Einladung zu den Eröffnungsfeierlichkeiten durch Leopold Museum Direktor Hans-Peter Wipplinger folgten – in Anwesenheit der Leopold Museum-Vorstände Josef Ostermayer, Saskia Leopold und Danielle Spera und des kaufmännischen Direktors Moritz Stipsicz – rund 1200 Gäste, darunter die Kuratorinnen der Ausstellung, Kerstin Jesse und Jane Kallir mit Gary Cosimini, Barbara Potisk-Eibensteiner (CFO Post AG), Harald Friedrich (Vorstand LLB), Unternehmer Christian Knobloch (CKV Gruppe), RA Andreas Huber, die Sammler*innen Karlheinz und Agnes Essl, Werner Gradisch –Nachfahre Egon Schieles –, Helmut Klewan, RA Ernst Ploil (im Kinsky), Nikolaus Leopold (Leopold Fine Arts) und Waltraud Leopold, die Galeristinnen Susanne Bauer und Katharina Zetter-Karner, die Kunsthistoriker*innen Stephanie Barron, Patrick Werkner und Thomas Zaunschirm, Autorin Waris Dirie, die Salon Leopold-Komitee-Mitglieder Catharina Knobloch und Jakob Jelinek, Karin-Bergmann-Blau und Max Scheugl, Kulturmanagerin Alexandra Arnim, Dorotheum Expertin Marianne Hussl-Hörmann, Josef Kirchberger, Veronika Kerres (Obfrau, Verein Vinzi-Rast), Belvedere Kurator Franz Smola, Barbara Kallir und Tom Shima, Nadine Kraus-Drasche (Dorotheum), die Katalogautor*innen Hannes Leidinger und Sandra Maria-Dzialek, Gabriele Lenikus (Lenikus GmbH) und Alina Lenikus, Rainer Metzger (Universität Karlsruhe), Wien Museum-Vizedirektorin Ursula Storch, Cay Urbanek (Kaufm. GF Volkstheater), Marianne Kirstein-Jacobs, MQ Direktorin Bettina Leidl, HGM Direktor Georg Hoffmann, Nikolaus Kratzer, Kurator Landesgalerie NÖ, Künstler Florian Reither (Gelitin), Dorotheum Gesellschafter Martin Böhm, Sabine Folie (Direktorin Akademie der bildenden Künste), Siwoung Song (World Culture Networks), Sopranistin Maria Shebzukhova, Jurist William Stockler, Julia Zdrahal-Urbanek (Altopartners), der ehemalige NR-Präsident Wolfgang Sobotka, Diplomat Peter Launsky-Tieffenthal, Chiara Galbusera (Sammlungskuratorin OeNB), Notar Alexander Michalek, u.v.m.

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Leopold Museum-Privatstiftung
Mag. Klaus Pokorny und Veronika Werkner, BA
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