Arbeitsmarktexperte Stephan Sell äußert sich skeptisch zu Ich-AGs im "ZDF-Mittagsmagazin"
Mainz (ots)
Der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Stephan Sell hält die bisherige Bewertung der Ich-AGs für verfrüht: "Mit der positiven Einschätzung der Ich-AGs, die auch die Forschungsinstitute vorgelegt haben wäre ich skeptisch, denn der Beobachtungszeitraum war sehr kurz", sagte der Professor der Fachhochschule Koblenz im "ZDF- Mittagsmagazin" am Mittwoch, 1. Februar 2006. "Wir wissen, dass sehr viele dieser Ich-AGs wirklich an einer untersten Grenze herumkrebsen, und wir müssen erst einmal abwarten, ob es nicht doch wieder eine Rückkehr von gescheiterten Existenzgründern in die Arbeitslosigkeit gibt." Dennoch sollten alle Anstrengungen unternommen werden auch den Übergang aus der Arbeitslosigkeit in die Selbstständigkeit zu fördern. Hier habe es schon Verbesserungen gegeben. "Die Antragsteller müssen zum Beispiel nachweisen, dass ihre Geschäftsidee halbwegs realistisch ist."
Mitte des Jahres soll laut Sell eine Anschlussregelung für die bisherige Förderung von Ich-AGs gefunden werden. "Denn wir haben neben den Ich-AGs ja auch noch das Überbrückungsgeld für die Arbeitslosen."
Ein Grundproblem des deutschen Arbeitsmarktes sei, so Sell, dass er sehr lange brauche, um beispielsweise auf eine konjunkturelle Erholung zu reagieren. Viele Arbeitgeber scheuten auch schnelle Neueinstellungen aus Gründen des Arbeits- oder des Kündigungsschutzes. "Deshalb wäre es sinnvoller gewesen, man hätte Arbeitshemmnisse im Arbeitsrecht abgebaut", sagte Sell. Das Problem, das sich jetzt abzeichne, sei die Kürzung der Leistungen einerseits und andererseits die Pläne der Bundesregierung, den Kündigungsschutz in den ersten zwei Jahren vollständig abzuschaffen. "Das wird für die Arbeitnehmer kein gutes Geschäft werden", so Sell im "ZDF- Mittagsmagazin".
Sell erinnerte zudem an den ursprünglichen Ansatz für die Einführung der Hartz-Gesetze. Diese seien die "heute wahnwitzige Vision einer Halbierung der Arbeitslosenzahlen" gewesen. Dies habe über die Arbeitsvermittlung laufen sollen. "Man wollte die Zugänge in Arbeitslosigkeit und die Dauer der Arbeitslosigkeit um ein Drittel absenken." Die Maßnahmen seien jedoch vom Gesetzgeber in einer Zeit umgesetzt worden, in der die Konjunktur sich auf Talfahrt befand. Nach Ansicht Sells hätte man bessere Ergebnisse erzielt, wenn die Konjunktur besser gewesen sei.
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