ZDF-Magazin "Frontal 21" berichtet: Getarnt als Journalisten Bundeswehr und MAD ermitteln illegal
Mainz (ots)
Feldnachrichtenkräfte der Bundeswehr haben bei Auslandseinsätzen mehrfach unter falscher Identität ermittelt und damit gegen Dienstvorschriften verstoßen. Bei einem dieser illegalen Einsätze wurde die Familie eines bis 2004 in Guantanamo gefangen gehaltenen Mannes, Mohammed Wazir, von einem angeblichen RTL-Fernsehteam in Kunduz/Afghanistan befragt. Dies bestätigte die Familie Wazir gegenüber ZDF-Magazin "Frontal 21". Dass Feldnachrichtenkräfte der Bundeswehr die Befragung durchführten, belegt ein dreiseitiger "Intelligence Report", der "Frontal 21" vorliegt. Das Feldnachrichtenteam Kunduz berichtet darin über den Besuch bei der Familie am 18. August 2004.
Auch in Bosnien gaben sich Feldnachrichtenkräfte als Reporter aus, um verdeckt Informationen über mögliche Terrornetzwerke zu beschaffen. In Zenica vernahmen ein Bundeswehrhauptmann und ein Sprachmittler die Frau des in Guantanamo inhaftierten Algeriers Bensayah Belkacem. Anela Kobilica, die Ehefrau, berichtete gegenüber "Frontal 21", dass die Männer sich als Reporter der "Süddeutschen Zeitung" vorgestellt und sich mit Presseausweisen legitimiert hätten. Das Feldnachrichtenteam fertigte nach der verdeckten Befragung am 16. Juli 2003 einen fünfseitigen "Intelligence Report" an, der "Frontal 21" vorliegt.
Das Bundesverteidigungsministerium bezeichnete den Vorfall in Bosnien gegenüber "Frontal 21" als "Einzelfall" und gab zudem an, "keine eigenen Erkenntnisse" über die Vernehmung in Kunduz zu haben.
Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (B90/Grüne) verurteilte die verdeckten Bundeswehrermittlungen. Ströbele, der im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste zuständig ist, erklärte gegenüber "Frontal 21": "Die Bundeswehr darf so etwas nicht. Die Bundeswehrangehörigen müssen in Uniform agieren, und sie dürfen nicht zu einem neuen Geheimdienst werden."
Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat beim Auslandseinsatz in Afghanistan gegen gesetzliche Regelungen verstoßen. Das räumt die Bundesregierung in ihrem 144-seitigen vertraulichen Bericht über die BND- und CIA-Affäre ein. Danach haben drei Soldaten des MAD vom 27. Mai bis 2. Juni 2004 mehrere Verdächtige im afghanischen Innenministerium in Kabul verhört mit dem Ziel, den Bombenanschlag auf einen Bundeswehrbus am 7. Juni 2003 aufzuklären. Auftraggeber sei der Kommandeur des deutschen ISAF-Kontingents gewesen.
Im Bericht der Bundesregierung heißt es dazu: "Die Teilnahme von MAD- Angehörigen an Befragungen von Gefangenen außerhalb von Liegenschaften der Bundeswehr im Einsatzgebiet ist nach Inkrafttreten des MAD-Gesetzes am 9. März 2004 mit §14 dieses Gesetzes nicht vereinbar. Die Teilnahme an den Befragungen hätte also nicht stattfinden dürfen."
Nach diesem Bericht unterstanden die drei Soldaten, die die Verhöre durchführten, außerdem erst ab 1. Juni 2004 dem MAD und seien vorher dem militärischen Nachrichtenwesen, der "Zelle G2 Militärische Abschirmung" des deutschen ISAF-Kontingents, zugeordnet gewesen.
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