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Merz: Union stimmt gegen die Rentenreform

Berlin (ots)

Folgenden Brief vom Vorsitzenden der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz MdB, haben heute die
Versicherungsältesten und Knappschaftsältesten in der Bundesrepublik
Deutschland erhalten:
Heute hat die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag beschlossen,
die sogenannte Renten"reform" der rot-grünen Bundesregierung
abzulehnen. Sie, die Versicherungsältesten und Knappschaftsältesten,
haben als Vertrauensleute von 50 Millionen Rentenversicherten ein
Anrecht, zu wissen warum. Meiner Fraktion ist diese Ablehnung nicht
leicht gefallen. Rente und Alterssicherung sind für uns viel zu
wichtig, um sie kurzfristigen parteipolitischen Zielen unterzuordnen.
  • Reformhickhack Gerade Sie haben es im letzten halben Jahr hautnah miterlebt: Ein "Reform"vorschlag der Regierung jagte den anderen, immer wieder wurden andere Konzepte als der Stein der Weisen schlechthin vorgelegt, nur um ein paar Tage später - manchmal noch am selben Tag - wieder verworfen zu werden. Jedesmal wurde die CDU/CSU-Fraktion aufgefordert, der gerade aktuellen "Reform"version doch zuzustimmen. Dabei waren sich nicht einmal die Koalitionsfraktionen von Bündnis90/die Grünen und SPD einig; niemand blickte mehr durch. Selbst das verzweifelte "Basta" von Bundeskanzler Schröder konnte das Chaos nicht beenden.
  • Expertenkritik Vor eineinhalb Monaten, Mitte Dezember 2000, kam dann die Expertenanhörung vor den Ausschüssen im Deutschen Bundestag: Einmütig haben Fachleute aller Richtungen, der Gewerkschaften ebenso wie der Rentenversicherungsträger, Arbeitsminister Riester und der Regierung ihre damaligen Vorschläge um die Ohren gehauen. Danach wurde erneut herumgedoktert. Wieder kamen lauter nicht durchführbare, zu bürokratische, hochgradig verwaltungsintensive oder nicht ordentlich finanzierte Vorschläge auf den Tisch. Noch vor sieben Tagen, am 16. Januar, waren wesentliche Probleme immer noch nicht gelöst.
  • Durchpeitschen Trotzdem bestanden Schröder, Riester und die sie tragende Koalition von SPD und Grünen darauf, das Gesetz in dieser Woche durchzupeitschen, obwohl allen klar ist, dass wir um Nachbesserungen, wahrscheinlich sogar um grundlegende Änderungen, nicht herumkommen werden. Das Jahrhundertwerk der Rentenreform kann man eben nicht in ein paar Tagen zusammenschustern.
  • Demographische Entwicklung Auch der CDU/CSU ist klar: Die demographische Entwicklung in Deutschland läuft darauf hinaus, dass weniger arbeitende Menschen immer mehr Rentner finanzieren müssen. Das liegt unter anderem an der höheren Lebenserwartung, dem medizinischen Fortschritt und der rückläufigen Geburtenrate. "Problem erkannt, Problem gebannt": Bereits 1997/98 hat der damalige Arbeitsminister Blüm die Aufgabe einer zukünftigen Rentensicherung bei tragbaren Beiträgen in Angriff genommen. Mit der Einführung eines objektiv messbaren Kriteriums, des sogenannten "demographischen Faktors", wollte Blüm die Entwicklung der Rente ebenso wie der Beiträge zur Rentenversicherung an die Bevölkerungsentwicklung anpassen. Außerdem sollten die Bürgerinnen und Bürger - mit staatlicher Hilfe - stärker in ihre Altersvorsorge eingebunden werden. Rot-Grün hat diese Reform Ende 1998 außer Kraft gesetzt. Wäre sie gültig geblieben, wäre die gesamte Ökosteuer in den letzten zwei Jahren nicht notwendig gewesen.
  • Konsensbruch durch Rot-Grün Bis vor wenigen Jahren hat es die deutsche Politik geschafft, die gesetzliche Altersversorgung aus dem Parteienstreit herauszuhalten. Dieser Konsens wurde jedoch von SPD und Grünen bereits 1998 aufgekündigt. Vor allem gegen die Einführung des "demographischen Faktors" lief die SPD im Wahlkampf Sturm und machte ihn nach Regierungsantritt wieder rückgängig.
  • Neue Anpassungsformel Was haben wir statt dessen von Riester bekommen? Nach der jetzt vorgelegten Formel soll vom Jahr 2011 an nur noch von 90 Prozent des Basiswertes bei der Rentenberechnung ausgegangen werden und von diesem Betrag der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur zusätzlichen Altersvorsorge abgezogen werden.
Die neue Anpassungsformel führt nach den Berechnungen des
Bundesarbeitsministers im Jahr 2030 zu einem Rentenniveau von 67,99
Prozent.
  • Zahlenmogelei Mit dieser Zahl wird jedoch gleich mehrfach getrickst: Die gesetzliche Rente hält das Niveau von 67,99 Prozent nämlich nicht! Die Rente wird nach dem Riester-Modell nur rund 64 % betragen. Es wird stillschweigend davon ausgegangen, dass alle Versicherten bis zum Greifen der "Reform" privat ein Kapital angespart haben, das den geforderten Betrag auch wirklich abwirft. Bei vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kann das jedoch gar nicht der Fall sein.
  • Rente nach Kassenlage Auch die neue Riester-Rechnung ist dem "demographischen Faktor" deutlich unterlegen. Der Riester-Rechnung fehlt nämlich die Legitimation, die - anders als der "demographische Faktor - nicht bevölkerungswissenschaftlich abgesichert ist. Darüber hinaus wurde der Wert von 90 Prozent des Basiswertes als Ausgangspunkt für die Berechnung der Rentenanpassung willkürlich festgesetzt und ist deshalb manipulationsanfällig. Dieser Wert kann je nach Bedarf verändert werden. Dass die Regierung Schröder beim Manipulieren der Rente nicht zimperlich ist, haben wir alle bei der Rentenlüge 2000 gesehen, als - entgegen allen Versprechungen - der Nettolohnbezug bei der Rentenerhöhung ganz einfach weggefegt wurde: Die Rentnerinnen und Rentner wurden mit 0,6 Prozent eines sogenannten Inflationsausgleichs abgespeist. Der "demographische Faktor" hat sich dagegen allein an der objektiven Entwicklung der Lebenserwartung orientiert und eine solche Manipulation nicht möglich gemacht.
  • Änderungen bei der Sozialhilfe Auf die Kommunen kommen durch die Reform nicht tragbare Belastungen zu. Die Koalition plant die Schaffung eines Grundsicherungsamtes. Dieses Grundsicherungsamt soll zwar auf kommunaler Ebene angesiedelt werden, ist aber eine eigenständige und von den Sozialämtern getrennte Einheit. Das Grundsicherungsamt stockt die Rente für die über 65-jährigen und die Erwerbsgeminderten auf Sozialhilfeniveau auf, zahlt die Grundsicherung aber auch an über 65-jährige und Erwerbsgeminderte, die keinen Rentenanspruch haben (z. B. Selbstständige, Hausfrauen). Als Ausgleich für die Mehrkosten sollen die Länder vom Bund 600 Millionen DM jährlich erhalten. Das ist ein Betrag, von dem jetzt schon abzusehen ist, dass er hinten und vorne nicht ausreichen wird. Darüber hinaus wird mit der Grundsicherung der Grundsatz der Beitrags- und Leistungsgerechtigkeit durchbrochen. Die gesellschaftliche Weichenstellung hin zu einer leistungsunabhängigen Grundsicherung ist kontraproduktiv gegenüber der notwendigen Eigenvorsorge und dem "aktivierenden" Sozialstaat. Es gilt dann das Prinzip: Wer vorsorgt wird versorgt, wer nicht vorsorgt, wird auch versorgt. Dies ist für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht akzeptabel.
  • Unfaire Behandlung der Hinterbliebenen Nach dem Konzept der Koalition werden die Freibeträge bei den Hinterbliebenenrenten für die Ehegatten ab 2002 nach wie vor eingefroren, die für die Kinder dagegen weiterhin dynamisiert. Langfristig werden die Hinterbliebenen damit von der Entwicklung der Einkommen abgekoppelt. Auf lange Sicht bedeutet dies das Aus für die Hinterbliebenensicherung als Ganzes. Die vollständige Anrechnung aller Einkommensarten in der Hinterbliebenensicherung diskriminiert die zusätzliche Eigenvorsorge.
  • Splitting Von den negativen Wirkungen her unverändert bleibt die vorgeschlagene Wahlmöglichkeit zwischen Anwartschafts-Splitting von Eheleuten und der daraus abgeleiteten Sicherung. Haben beide Ehepartner Rentenansprüche, bekommen nicht etwa beide die ihnen zustehende Rente. Man muss sich das einmal vorstellen: Eine Entscheidung, wessen Rente vorgezogen wird, führt zu unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem, welcher Ehegatte zuerst stirbt. Die Ehegatten können nämlich die für sie günstigere Wahl nur dann treffen, wenn sie im voraus wissen, wer von ihnen überleben wird! Das ist ein unzumutbares Rentenroulette à la Rot-Grün.
  • Benachteiligung von Frauen Für viele Frauen bringt die Rentenreform Nachteile. Die Anerkennung von Erziehungsleistungen ist nach wie vor unzureichend. Für Frauen, die vor 1992 geboren wurden, gibt es überhaupt keine Verbesserungen. Es findet hier nur eine Umverteilung innerhalb der Gruppe der Frauen statt. Außerdem geht die geplante Rente nach Mindesteinkommen wieder zu Lasten der Rentenversicherung, obwohl diese Kosten vom System her der Allgemeinheit aufzuerlegen wären. Für Elternteile, die z.B. als Alleinerziehende mit ihrem Einkommen über dem Durchschnittsentgelt liegen, wirkt sich diese Begünstigung sowieso nicht aus. Auch Mütter, die eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit erst nach Ablauf der Kinderberücksichtigungszeit aufnehmen, erhalten keine rentenrechtliche Verbesserung. Mütter mit einem Kind, die nicht erwerbstätig sind, profitieren ebenfalls nicht: Bei der Riester-Reform sind vor allem Frauen die Verlierer.
  • Zusätzliche Alterssicherung Die Förderung der zusätzlichen Alterssicherung ist mangelhaft ausgestaltet. Die im Altersvermögensgesetz vorgesehene private Vorsorge hat keinen ergänzenden sondern lediglich ersetzenden Charakter. Familien mit Kindern werden beim Aufbau der privaten Alterssicherung nach wie vor benachteiligt. Die steuerliche Förderung für die Besserverdienenden ist dynamisiert, Grund- und Kinderzulage für die Geringverdiener und Familien mit Kindern werden nicht angepasst und damit langsam abgeschmolzen. Die Ausgestaltung der zusätzlichen Altersvorsorge ist ein bürokratisches Monster. Altverträge werden nach wie vor nicht gefördert. Die Förderung des Wohneigentums ist faktisch ausgeschlossen. Die Menschen müssen bei ihrer privaten Vorsorge wieder bei Null anfangen.
  • Rentensteuer Wie Sie alle wissen, wird für den Sommer dieses Jahres ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Rentenbesteuerung erwartet. Minister Eichel hat die entsprechenden Pläne bereits in der Schublade. Eine derartige Besteuerung - von der wir alle noch nicht im einzelnen wissen, wie sie aussehen soll und wird -, stellt uns vor eine völlig neue Situation, die die jetzige Rentenreform bereits heute bei ihrer Verabschiedung im Bundestag zur Makulatur macht.
  • Fazit Unser Nein ist uns nicht leicht gefallen. In der Tat hat die Koalition im Laufe der Diskussion, wenn auch zähneknirschend, mehrere unserer konstruktiven Vorschläge berücksichtigt. Deshalb ist es umso unverständlicher, warum Schröder jetzt zu derart kopfloser Eile angetrieben hat. Mit einer großen, tragfähigen Mehrheit hätten wir eine Reform auf den Weg gebracht, die diese Bezeichnung verdienen würde. Bei all den genannten Missständen und ungelösten Fragen konnten wir jedoch in unser aller Interesse nicht zustimmen. Die CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag ist weiterhin bereit, konstruktiv an der Lösung unserer Zukunftsprobleme mitzuwirken. Deshalb bitte ich Sie, die Versicherungsältesten und Knappschaftsältesten, über alle Parteigrenzen hinweg, Ihre Stimme zu erheben und mit uns weiterhin für eine faire Reform einzutreten.

Rückfragen bitte an:

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Tel.: (030) 227-52360
Fax: (030) 227-56660
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