CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Koschyk: Kürzung der
Vertriebenen-Kulturarbeit verstößt gegen geltendes Recht - weitere
Kürzungen für 2003 geplant
Berlin (ots)
Anlässlich der Vorstellung der vom wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestag in Auftrag gegebenen rechtsgutachterlichen Stellungnahme zur Kulturförderung nach § 96 Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz am 20. Juni 2002 erklärt der vertriebenenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk MdB:
Die sogenannte Neukonzeption der Bundesregierung zur Kulturförderung nach § 96 Bundesvertrieben- und Flüchtlingsgesetz (BVFG) aus dem Jahre 2000 unter dem Titel "Konzeption zur Erforschung und Präsentation deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa"" verstößt grob gegen geltendes Recht. Zu diesem Urteil kommt ein Gutachten, welches auf Veranlassung des Kollegen Dr. Peter Paziorek und mir im Auftrag des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages erstellt wurde. Das Gutachten wurde erstellt von Prof. Dr. Dr. Michael Silagi vom Institut für Völkerrecht an der Universität Göttingen.
Seit Vorlage der Neukonzeption durch den damaligen Kulturstaatsminister Dr. Michael Naumann hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ihre Ablehnung demgegenüber deutlich gemacht. Dies schon deshalb, da sie nur einem Ziel diente, nämlich dem Herausdrängen der Vertriebenenverbände aus der Kulturarbeit durch massive Kürzungen und Streichungen von Haushaltsmitteln. Seit dem Amtsantritt der rot-grünen Bundesregierung im Herbst des Jahres 1998 wurde die Bundesförderung der Pflege des Kultur- und Geschichtserbes der deutschen Heimatvertriebenen von 23 Millionen Euro im letzten Haushalt der unionsgeführten Bundesregierung (1998) auf 16,5 Millionen Euro im Jahr 2002 abgesenkt. Der Haushaltstitel hat sich demnach in vier Jahren um knapp 30 Prozent vermindert. Diese rigiden Kürzungen gingen besonders zu Lasten der kulturellen Breitenarbeit sowie zu Lasten der für die Kulturarbeit zuständigen Träger. Die Kürzungen betrafen sowohl den institutionellen Bereich als auch den Bereich der Projektförderung, so dass die über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen der wichtigen Vertriebenenkulturarbeit schwer geschädigt und vielerorts in ihrem Bestand gefährdet wurden. Die Kürzungen gingen und gehen in besonderem Maße zu Lasten der wichtigen kulturellen Breitenarbeit und zu Lasten grenzüberschreitender Austauschprogramme und der verständigungspolitischen Arbeit mit unseren östlichen Nachbarn. Insgesamt hat die Bundesregierung größten Schaden im Bereich der Vertriebenenkulturarbeit angerichtet.
Für das Haushaltsjahr 2003 sind seitens der rot-grünen Bundesregierung weitere gravierende Einschnitte bei der Kulturförderung nach § 96 geplant. Im erst gestern durch Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundesfinanzminister Hans Eichel vorgestellten Haushaltsentwurf für das Jahr 2003 sind lediglich noch 15 Millionen Euro für die kulturellen Maßnahmen im Rahmen des § 96 vorgesehen. Besonders einschneidend ist dabei, dass der Titel für die Förderung der Maßnahmen des kulturellen Austausches auf Null gesetzt wurde, der im Jahr 2002 noch 1,48 Millionen Euro beträgt. Der wichtigen verständigungspolitischen Arbeit, die seitens der Vertriebenen seit 1990 mit grenzüberschreitenden Maßnahmen stattfindet, wird damit die finanzielle Grundlage entzogen.
Die mit der Umsetzung dieser Neukonzeption durch die Bundesregierung verbundenen Negativfolgen führten in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion von Anfang an zu der Ansicht, dass die Bundesregierung den ihr obliegenden Gesetzesauftrag des Bundesvertriebenengesetzes nicht erfüllt. Das nun vorliegende Gutachten bestätigt deutlich diese Ansicht. So war u.a. nach Kriterien für eine angemessene Förderhöhe sowie danach gefragt worden, ab wann die aus § 96 BVFG für Bund und Länder erwachsenen Verpflichtungen als nicht erfüllt gelten können. Im Gutachten findet sich dazu die Aussage: "Anhaltspunkt für eine angemessene Höhe der Gesamtförderung nach § 96 BVFG durch Bund und Länder wäre der Betrag, der von der Wende von 1989/90 bis zum Beginn der Neuordnung der Förderung den geförderten Institutionen zugeflossen ist." Es ist also ganz klar festzustellen, dass die rot-grüne Bundesregierung mit ihrer Kürzungspolitik ihre Aufgaben nicht erfüllt.
Das faktische Herausdrängen der Vertriebenenverbände aus der Kulturförderung wurde seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion von Anbeginn als durchsichtiges Spiel enttarnt und scharf kritisiert. Auch dieser Aspekt fand Eingang in den Auftrag an den Gutachter, in dem gefragt worden ist, ob § 96 BVFG einen bereits bestehenden organisatorischen Rahmen voraussetzt und ob Wortlaut und Zweck des § 96 BVFG es ermöglichen, die Vertriebenen und ihre Organisationen und Kultureinrichtungen von der Förderung auszuschließen. Das Gutachten kritisiert das Bestreben der Bundesregierung als klaren Verstoß gegen geltendes Recht. Wörtlich wird ausgeführt: "§ 96 BVFG entstand also angesichts eines bereits bestehenden organisatorischen Rahmens für eine Kulturförderung. Die Vorschrift hat somit letztendlich die Förderung der Kultureinrichtungen und der wissenschaftlichen Einrichtungen der Vertriebenen legitimiert und wandelte ... das Recht der Ostdeutschen, um die Pflege ihrer kulturellen Belange besorgt zu sein, zu einer staatlichen und staatsbürgerlichen Pflicht." An anderer Stelle heißt es dann resümierend: "Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers ist persönlich und sachlich auf die Vertriebenen samt ihren Organisationen beschränkt. Ihnen hat demnach auch in Zukunft nicht bloß ein Teil, sondern die gesamte Förderung nach § 96 BVFG zuzukommen."
Stets haben CDU und CSU dem § 96 Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz einen hohen rechtlichen Stellenwert eingeräumt. Davon ausgehend wurde die Neukonzeption, die einzig auf Beschluss der Bundesregierung zurückgeht, von Anfang an hinsichtlich ihrer Legitimation in Zweifel gezogen. Das Gutachten bestätigt dies ausdrücklich und unterstreicht den hohen Stellenwert auch mit der Festschreibung im Einigungsvertrag. Die von der Bundesregierung in der Begründung ihrer Neukonzeption angegebenen veränderten Rahmenbedingungen werden ebenfalls verworfen. Im Gutachten heißt es dazu, dass "bloße 12 Jahre nach dem Beitritt der DDR zum freien Teil Deutschlands schon in Anbetracht des anhaltenden Spätaussiedlerzustroms keinesfalls von einem grundlegenden Wandel derjenigen Umstände die Rede sein" kann, "welche die Vertragsparteien des Einigungsvertrages zur Vereinbarung der uneingeschränkten Übernahme des § 96 BVFG in das Beitrittsgebiet veranlassten." Vielmehr ist die rechtliche Bestimmung einer willkürlichen Änderung durch Novellierung der Vorschrift entzogen. Einer faktischen Änderung durch Rechtsanwendung ist der § 96 BVFG somit erst recht entzogen. Im Gutachten wird festgestellt: "Erst recht gilt dies für eine bloße Änderung des Gesetzesvollzugs durch den Bund und die Länder, mit welcher der Zweck der unverändert fortbestehenden Norm vereitelt würde."
Es ist daher festzustellen, dass die Neukonzeptionierung der Vertriebenenkulturarbeit, wie sie von der rot-grünen Bundesregierung vorgenommen wurde, einer rechtlichen Grundlage entbehrt.
Eine unionsgeführte Bundesregierung wird eine derartige Kahlschlagpolitik, die zudem geltendem Recht widerspricht, unverzüglich beenden. Dies kommt auch im gemeinsamen Regierungsprogramm von CDU und CSU zum Ausdruck. Sie wird die Mittel für die Kulturförderung der Vertriebenen nach § 96 schrittweise wieder erhöhen.
Auch wird eine unionsgeführte Bundesregierung die Förderung der Kulturarbeit an den Bedürfnissen der Träger orientieren, damit eine erfolgreiche Projektarbeit, vor allem in der kulturellen Breitenarbeit und im Bereich der verständigungspolitischen Arbeit garantiert ist. Eine erfolgreiche Projektarbeit bedarf eines gesicherten institutionellen und strukturellen Rahmens, um erfolgreich betrieben werden zu können. Eine von CDU und CSU geführte Bundesregierung wird sich dies zur Aufgabe machen und bestrebt sein, den Trägern der Kulturarbeit Planungsperspektiven zu geben.
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