ARD-Magazin MONITOR: Griechische Geschäfte mit Putins Öl
Köln (ots)
Unveröffentlichte Dokumente zeigen, wie die EU vor Griechenlands Reedereien einknickte.
Ein 'zerstörendes' Öl-Embargo gegen Russland hatte die EU-Kommission Ende Mai angekündigt. Aber weil Griechenlands milliardenschwere Reedereien Druck machten, knickte die EU ein. Damit kann Putin mithilfe griechischer Öltanker sein globales Ölgeschäft sogar ausbauen, wie Recherchen des ARD-Magazins MONITOR zeigen.
Nach vielen Diskussionen einigte sich die EU beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende Mai auf ein Öl-Embargo gegen Russland. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von 'zerstörenden' Sanktionen, die Russland hart treffen würden. Das Ziel: keine Geschäfte mehr mit russischem Öl auf dem Seeweg. Dies hätte vor allem europäische Reedereien betroffen, deren Tanker russisches Öl über die Meere transportieren, nicht nur nach Europa.
6 Monate Schonfrist für Putin
Allerdings soll das Embargo erst in sechs Monaten in Kraft treten. Das sei notwendig, so die EU-Kommission, um 'dem Weltmarkt die Chance zu geben, sich anzupassen'.
Experten sehen das ganz anders. Die sechs Monate seien eine Schonfrist für Putin, sagt Professor Simon Johnson vom Massachusetts Institute of Technology. Die Frist böte Putin genügend Zeit, um verstärkt auf andere Abnehmerländer für sein Öl zu setzen, so der Ökonom. Bereits jetzt gehen fast ein Viertel der russischen Ölexporte nach China. Der Anteil russischer Ölexporte nach Indien hat sich in diesem Jahr verzehnfacht.
Putin braucht die europäischen Tanker
Für die neuen Geschäfte mit Asien ist Russland allerdings auf Tanker aus Europa angewiesen, insbesondere aus Griechenland. Ohne die griechischen Öltanker geht fast nichts im globalen Ölgeschäft auf hoher See. Knapp 27 Prozent der weltweiten Tankerflotte gehören griechischen Reedereien.
Wie bedeutend die griechischen Öltanker für die russischen Ölexporte auf dem Seeweg sind, lässt sich auch durch neuere Zahlen belegen: Laut dem Institute of International Finance (IIF) hat sich der Anteil an Öl aus Russland, das durch griechische Tanker verschifft wird, im letzten Jahr fast verdoppelt.
Würden die griechischen Tanker wegfallen, wäre es Putin kaum möglich, seine globalen Öl-Exporte von Europa in andere Staaten zu verlagern, schlussfolgert Johnson.
Griechenland setzt sich durch
Ursprünglich wollte die EU bei ihrem Öl-Embargo genau hier ansetzen. MONITOR liegt ein unveröffentlichter erster Vorschlagsentwurf der EU-Kommission von Anfang Mai vor. Darin ist ein Verbot für Tankschiffe aus EU-Ländern vorgesehen, russisches Öl 'mit Schiffen, die unter der Flagge eines Mitgliedstaats registriert sind oder sich im Eigentum eines Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats befinden in Drittländer zu befördern' heißt es in dem Entwurf der EU-Kommission.
Im finalen Text zum beschlossenen Embargo wurde dieser Absatz dann allerdings komplett gestrichen.
Das sei das Ergebnis starker Lobbyarbeit der griechischen Reedereien, so Michelle Wiese-Bockmann des Londoner Schifffahrt-Registers Lloyd‘s List: 'Die griechischen Reedereien sind aufgrund ihrer großen Flotte und weil sie schon lange im Geschäft sind, sehr mächtig und haben eine sehr starke Stimme in der internationalen Schiffsindustrie. Das ermöglicht ihnen ihre Interessen auf EU-Ebene durchzusetzen'.
Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis äußerte sich auf einer Pressekonferenz äußerst zufrieden damit, dass die griechischen Tanker von den Sanktionen verschont wurden: 'Es gibt keine - und das möchte ich betonen - Sanktionen gegen die griechische Schifffahrt, was den Transfer von Öl aus Russland in Drittländer betrifft.'
Für Erdal Yalcin, Professor für internationalen Handel an der Hochschule für Wirtschaft in Konstanz laufen die Sanktionen gegen Russland damit weitgehend ins Leere: 'Die Möglichkeit, dass griechische Reedereien weiterhin russisches Öl befördern, bedeutet schlichtweg, dass man die Sanktionen butterweich macht'.
Verbot für europäische Schiffsversicherer als Alternative
In Brüssel versucht man die Angelegenheit herunterzuspielen. Im Sanktionspaket fände sich schließlich ein anderes Verbot, so die EU-Kommission gegenüber MONITOR. Dabei soll es Versicherungsunternehmen aus EU-Staaten verboten werden, Schiffe, die russisches Öl transportieren, zu versichern. Auch so würde man die Ölausfuhr für Russland massiv erschweren.
Doch daran gibt es erhebliche Zweifel. Das Versicherungsverbot werde Putin nicht daran hindern, sein Öl weiter zu verkaufen, meint der Deutschlandchef von Lloyd-Versicherungen Jan Blumenthal: Putin werde sein Öl 'auf asiatischen Märkten verkaufen und entsprechend wird der Transport auch auf asiatischen Märkten durch asiatische Versicherer versichert werden.'
Auch Erdal Yalcin bezweifelt die Effektivität des Versicherungsverbot: 'Es gibt in Ostasien sehr wohl Versicherer, auch in China, in Indien, die diese Lücke füllen werden.'
Michael Bloss, EU-Abgeordneter der Grünen im Europaparlament, zieht eine ernüchternde Bilanz: 'in dem Moment, in dem griechische Reeder in ihren Profiten eingeschränkt werden, dann ist es vorbei mit dem Starksein gegen Putin.' Auf diese Weise helfe die EU sogar dabei, Putins Kasse weiter zu füllen.
Monitor heute , 9.6.2022, ARD - 21:45
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