UNHCR-Chef zu Afghanistan
Berlin (ots)
UN-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers hat die historische Einigung auf eine Interimsregierung für Afghanistan begrüßt. Zugleich wies er auf die Bereitschaft des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) hin, beim Aufbau eines dauerhaften Friedens mitzuwirken, damit Millionen von Afghanen in ihre Heimat zurückkehren können, um ein neues Leben zu beginnen und ihre Nation wiederaufzubauen.
In einem für die Afghanistan-Geberkonferenz in Berlin vorbereiteten Statement betonte Lubbers, es werde bedeutend zur Stabilisierung, Rehabilitation und dem wirtschaftlichen Aufschwung in Afghanistan beitragen, wenn die weltgrößte Gruppe von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen in ihre Heimat zurückkehren könne.
Lubbers wies darauf hin, dass schon vor dem 11. September allein in Pakistan und Iran über 3,5 Millionen Afghanen lebten. Weitere Flüchtlinge aus Afghanistan haben in 70 anderen Ländern Schutz gesucht. Zehntausende von Afghanen wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Exil geboren und haben nie ihre Heimat gesehen. In Afghanistan selbst leben Hunderttausende von Binnenvertriebenen.
"Flüchtlinge und Binnenvertriebene stellen fast ein Fünftel der afghanischen Bevölkerung, und ihre potenzielle produktive Leistungs-fähigkeit sollte nicht unterschätzt werden", sagte Lubbers. "Diese Menschen sind nicht lediglich Empfänger humanitärer Hilfe, sie können wichtige Beiträge zur Entwicklung liefern."
Lubbers forderte, dass man aus der Vergangenheit lernen müsse. Es habe schon in der Vergangenheit große Rückkehrbewegungen nach Afghanistan gegeben - über 4,5 Millionen Afghanen kehrten seit 1988 mit der Hilfe von UNHCR und seinen Partnern zurück. Oft waren diese Rückkehrerbewegungen aber nicht dauerhaft. Die Gründe dafür lagen in neuen Unsicherheiten, Menschenrechtsverletzungen, der darnieder-liegenden Wirtschaft und der Dürre. Jetzt gebe es eine neue Chance für die Afghanen und die internationale Gemeinschaft, sagte Lubbers. "Wir müssen sicherstellen, dass die notwendigen Bedingungen für eine Rückkehr dieser Flüchtlinge getroffen werden."
Weil Flüchtlings- und Rückkehrfragen die ganze Region beträfen und mit anderen übergreifenden Problemen in Zusammenhang stünden, wolle UNHCR seinen "zweigleisigen Ansatz" beibehalten. Schwerpunkte blieben sowohl die Unterstützung in Afghanistan als auch die Hilfen für Flüchtlinge in den Nachbarländern.
Der kürzlich veröffentlichte neue Aktionsplan von UNHCR umfasst die Zeitspanne von heute bis Ende Juni 2002 und nennt folgende vier Zielsetzungen:
- Freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen: UNHCR bereitet sich auf die Wiederaufnahme seiner regionalen Aktivitäten vor, die darauf abzielen, die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Heimatorte zu erleichtern. Dies schließt ein, dass UNHCR feststellt, wo sichere Bedingungen für eine Rückkehr herrschen und diese fördert. Falls angemessen und wenn erforderlich, sollen Rückkehrer und die lokalen Gemeinden in den Rückkehrgebieten auch unterstützt werden.
- Binnenvertriebene: Im Rahmen der Zusammenarbeit der UN-Organisationen will UNHCR Schutz und lösungsorientierte Hilfen für Binnenvertriebene und andere hilfsbedürftige Bevölkerungsgruppen in Afghanistan bieten.
- Vorbereitung für den Notfall: UNHCR will adäquate regionale Nothilfe-Kapazitäten beibehalten.
- Unterstützung von Flüchtlingen in Asylländern - Fortsetzung des Schutzes und lösungsorientierter Unterstützung für Flüchtlinge in den Asylländern. Dies schließt sowohl Flüchtlinge ein, die sich in diesen Staaten bereits vor dem 11. September befanden, als auch Neuankömmlinge.
Mit geschätzten 900.000 Hilfsempfängern wird in dem Aktionsplan gerechnet. Dies schließt ein: 500.000 Binnenvertriebene und Rückkehrer in Afghanistan, bis zu 300.000 afghanische Flüchtlinge in Pakistan, bis zu 80.000 afghanische Flüchtlinge im Iran und bis zu 20.000 afghanische Flüchtlinge in den zentralasiatischen Republiken. In diesen Zahlen ist nicht die Unterstützung berücksichtigt, die UNHCR vor dem 11. September sowohl in Afghanistan als auch in den Nachbarstaaten geleistet hat. Entsprechende Angaben finden sich in unserem jährlichen Programm-Budget.
Lubbers betonte, UNHCR fühle sich voll und ganz verpflichtet, sich an den organisationsübergreifenden Bemühungen zu beteiligen, Binnenvertriebenen innerhalb Afghanistans zu helfen.
"UNHCRs erster Arbeitsschwerpunkt in Afghanistan wird bei der Rückkehr und Reintegration liegen. Wir haben jedoch den UN-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten darüber informiert, dass wir bereit sind, uns auch auf übergreifende Themen zu konzentrieren, die sowohl Flüchtlinge als auch Binnenvertriebene betreffen."
"In diesem Zusammenhang wollen wir dabei helfen, die Schutzprobleme für Binnenvertriebene und Flüchtlinge im ganzen Land anzugehen. In den nördlichen und westlichen Regionen erfolgte die Hilfe für die Binnenvertriebenen vor dem 11. September durch andere Akteure. UNHCR will in anderen Regionen direktere operative Verantwortung übernehmen. Wir sind derzeit in Gesprächen mit UNOCHA und anderen Organisationen über die Unterstützung von Binnenvertriebenen in bestimmten Regionen - möglicherweise im Süden, Osten und den zentralen Regionen Afghanistans."
Lubbers sagte, Tausende von Binnenvertriebenen seien in den vergangenen Tagen bereits nach Kabul und an andere Orte zurückgekehrt. Flüchtlinge kehrten weiterhin aus dem Iran zurück, wenn auch in geringem Umfang, gemessen an der Gesamtzahl der betroffenen Flüchtlinge.
"Doch die Hindernisse für eine Rückkehr sollten nicht unterschätzt werden", sagte er und bezog sich auf die weitreichende Zerstörung von Häusern und der Infrastruktur im ganzen Land sowie der Bedrohung durch Millionen Landminen.
UNHCR sei dabei, einen umfassenden mehrjährigen Plan zur Repatriierung und Reintegration von Flüchtlingen zu erstellen.
Lubbers nannte die in Bonn erzielte Vereinbarung "einen wichtigen und historischen Meilenstein für das Land".
"Ich gratuliere den Teilnehmern zu ihrer entschlossenen Haltung, mit der sie gezeigt haben, dass sie Afghanistan zurück auf den Weg zum Frieden bringen wollen, und für ihr Engagement bei der Zusammenarbeit mit dem von Herrn Lakhdar Brahimi geleiteten UN-Team. Ich freue mich besonders darüber, dass zwei Frauen für hochrangige Posten nominiert worden sind. Ich hoffe, dass Frauen eine Schlüsselrolle beim Aufbau eines neuen, friedlichen und demokratischen Afghanistans spielen werden."
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