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NS-Prozesse: Überlebende wollen, dass ihre Geschichte gehört wird
Holocaust-Gedenktag: Videogespräch zwischen Präses Latzel und Opferanwalt Lode

Düsseldorf (ots)

Anlässlich des morgigen Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus betonen Präses Dr. Thorsten Latzel und der Düsseldorfer Anwalt Dr. Stefan Lode die Bedeutung von Prozessen gegen die letzten noch lebenden Täter der NS-Diktatur. In einem Videogespräch, das am 78. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz veröffentlicht wird, befassen sie sich aus theologischer und juristischer Perspektive mit der Fragestellung, "warum es sich weiter lohnt, Nazi-Verbrechen aufzuarbeiten".

"Wenn die Straftat nicht verjährt ist, muss ich weiter ermitteln und auch anklagen", sagt Lode, der seit 2015 zahlreiche Holocaust-Überlebende in den NS-Prozessen der jüngsten Vergangenheit vertreten hat und ab 2. Februar auch in einem Dokumentarfilm in den Kinos zu sehen ist. "Für den Juristen stellt sich keine Sinnfrage, ob ich ein Verfahren, das eine Tat behandelt, die 60, 70, 80 Jahre zurückliegt, noch verfolge und vor Gericht verhandle." Für Präses Latzel haben die Opfer von Gewalt einen Anspruch, "dass wir ihre Geschichten nicht vergessen. Das ist wichtig auch für uns als Gesellschaft."

Schleppende Aufarbeitung nach dem Zweiten Weltkrieg

Den Überlebenden, so Lode, sei es auch nicht in erster Linie wichtig, dass die Täter am Ende ins Gefängnis kommen. "Sondern die meisten wollen, dass über die Geschichte noch einmal gesprochen wird." Dennoch hätten die Prozesse wesentlich früher geführt werden sollen. "Nach dem Krieg hat die Bundesrepublik das sehr schleppend aufgearbeitet, aber besser spät als nie."

Wissen um die Vergangenheit als Mahnung für die Gegenwart

Der Jurist sieht sich und seine Generation in der Verantwortung, das Wissen um die Verbrechen des Nationalsozialismus weiterzutragen, wenn die letzten Zeitzeugen und Zeitzeuginnen gestorben sind. "Die jüdische Community in Deutschland gerät durch den steigenden Antisemitismus zunehmend unter Druck. Wir haben ein Problem mit Gewalt gegen Minderheiten: Obwohl auf der einen Seite gegendert wird, werden die Leute auf der anderen Seite unterdrückt." Er habe Angst davor, was passiere, "wenn die alten, sehr gütigen Überlebenden nicht mehr da sind". Die Taten von damals seien bis heute in die Familiengeschichten eingezeichnet, ist Präses Latzel überzeugt. "Dem kann man sich nur annähern, wenn man wirklich darüber redet, wenn man hinschaut und noch mal nachfragt."

Chance für eine moralische und demokratische Grundausbildung

Beide sehen eine Aufgabe der Kirche auch darin, Jugendlichen in der Auseinandersetzung mit den NS-Prozessen und dem Holocaust "eine moralische und demokratische Grundausbildung" (Lode) und "einen ethischen Kompass" (Latzel) mitzugeben. Lode verweist dabei auf Erfahrungen aus dem Prozess 2015 gegen Oskar Gröning. Der SS-Mann war an der Ankunftsrampe von Auschwitz damit beauftragt, Wertgegenstände aus dem Gepäck der in Güterzügen eintreffenden Häftlinge zu plündern, während die Ankommenden schon zur Ermordung in den Gaskammern oder dem Einsatz im Arbeitslager eingeteilt wurden. Gröning habe seinen Weg zur SS damit begründet, bei der Mannschaftswahl im Sport immer zu den Letzten gehört, aber dann mit der SS-Uniform endlich den Frauen gefallen zu haben. Das sind die Punkte, um die es Lode geht, wenn er heute Jugendliche für die Frage sensibilisieren will: "Wo ist der Abzweig in deinem Leben, wo du falsch oder richtig abbiegen kannst?"

Stichwort: Buch und Film

Der NS-Prozess gegen Oskar Gröning 2015 in Lüneburg, an dem auch Anwalt Stefan Lode beteiligt war, ist in einem Reclam-Band dokumentiert. "Die letzten Zeugen. Der Auschwitz-Prozess von Lüneburg 2015" ist derzeit nur antiquarisch zu beziehen. Das Stutthof-Verfahren 2019/2020 in Hamburg gegen den SS-Aufseher Bruno Dey mit Stefan Lode als Nebenklagevertreter steht im Mittelpunkt des Dokumentarfilms "Fritz Bauers Erbe - Gerechtigkeit verjährt nicht". Der Film kommt am 2. Februar 2023 in die Kinos.

Autor: Ekkehard Rüger

Pressekontakt:

Pressesprecher Jens Peter Iven | 0211 4562-373 | jens.iven@ekir.de |
www.ekir.de/presse

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