FZ: Willkommen in Absurdistan Kommentar der "Fuldaer Zeitung" zur Mehrwertsteuer
Fulda (ots)
Dass das deutsche Steuersystem nicht nur kompliziert ist, sondern auch massive Gerechtigkeitsdefizite aufweist, ist schon daran zu erkennen, dass manche Mitbürger es schaffen, ihre Steuerlast - ohne sich strafbar zu machen - auf null zu drücken, andere hingegen glaubhaft versichern, nur für den Fiskus zu arbeiten. Beim Thema Mehrwertsteuer hat man sogar das Gefühl, sich nicht in Deutschland, sondern in Absurdistan zu befinden: Da gilt für Esel der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent, für geschlachtete der volle von 19 Prozent; frische Trüffel 7 Prozent, Mineralwasser 19 Prozent; Hörgeräte 7 Prozent, Medikamente 19 Prozent; Tomatenmark 7 Prozent, Ketchup 19 Prozent. Und wer hätte gedacht, dass die Frage im Fastfood-Restaurant: "Zum hier essen oder mitnehmen" einen fiskalischen Hintergrund hat? Wer seine Currywurst einpacken lässt, für den muss die Imbissbude einen geringeren Mehrwertsteuersatz abführen als beim Gast, der sich kurz an den Tisch setzt. Angesichts einer Inflation solcher Eseleien hat der Bundesrechnungshof recht, wenn er dringend eine Korrektur anmahnt. Das Problem ist bereits seit Jahrzehnten bekannt - doch anstatt die Ausnahmen abzuschaffen, kommen eher noch neue dazu. Denn so einfach, wie es auf dem Papier aussieht, ist die Sache nicht: Eigentlich war der ermäßigte Mehrwertsteuersatz eine gute Idee. Produkte, die dem Gemeinwohl dienen, sollten auf diese Weise subventioniert werden, um sie erschwinglicher zu machen. Jetzt die Ermäßigungen abzuschaffen, würde bedeuten, dass viele Produkte teurer werden. Wo bitteschön will man die Grenzen ziehen? Soll der Satz für Schnittblumen ermäßigt bleiben, während man ihn für Tierfutter anhebt? Fest steht: Den Mehrwertsteuer-Stall auszumisten, würde beim Bürger als Steuererhöhung ankommen - und das will gerade die aktuelle Bundesregierung um jeden Preis vermeiden. Eine bessere Lösung wäre allemal, die Mehrwertsteuer einzubeziehen in eine grundlegende Reform des Steuersystems. Das würde mehr bringen als ein ständiges Herumdoktern an einem schwerkranken Patienten. Eine solche Radikaltherapie müsste nicht einmal mit spürbaren Entlastungen verbunden sein, dem Bürger würde es schon ausreichen, wenn er überhaupt verstehen würde, was der Staat da jedes Jahr in Form einer Steuererklärung von ihm verlangt. Doch für einen solch großen Wurf fehlt der Politik der Mut. Der Gedanke daran, dass eine schwarz-gelbe Koalition in Berlin den Reformstau auflösen kann und Probleme des Landes nachhaltig in Angriff nimmt, war eine Illusion. Und so kann man sich leicht ausrechnen, dass die großspurigen Ankündigungen, den Mehrwertsteuerdschungel zu lichten, nur Sonntagsreden bleiben. Herauskommen wird wieder nur Stückwerk.
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