Meilenstein für die Patientensicherheit: Erfolgreicher Einsatz eines Risikoberichtssystems in zwölf Kinderkliniken
Berlin (ots)
Pressekonferenz
"Risiken verringern - Sicherheit steigern. Kinderkliniken als Wegbereiter für eine neue Sicherheitskultur im Krankenhaus" am 16. November 2007 in Berlin
Gemeinsame Pressemitteilung
Das Institut für Gesundheits- und Medizinrecht (IGMR) der Universität Bremen und der AOK-Bundesverband haben heute auf einer Tagung die Ergebnisse eines Projektes zum Einsatz eines freiwilligen Risikoberichtssystems CIRS (Critical Incident Reporting System) gemeinsam mit zwölf Kinderkliniken vorgestellt. Es steht unter dem Motto "Risiken verringern - Sicherheit steigern". Kritische Ereignisse im Bereich der Arzneimittelbehandlung bildeten mit 35 Prozent den Schwerpunkt aller beobachteten Risikokonstellationen. Das Klinikpersonal - davon 73 Prozent aus dem Pflegebereich und 27 Prozent Ärzte - meldete im Bereich Arzneimitteltherapie vor allem Probleme mit der Zubereitung von Arzneimitteln (61 Prozent), bei der Verschreibung waren es 34 Prozent sowie fünf Prozent bei der Abgabe durch die Apotheke.
Als zweithäufigster Risikoschwerpunkt erwies sich mit 24 Prozent die Abweichung von medizinischen oder pflegerischen Standards, gefolgt von mangelbehafteter Dokumentation (15 Prozent) und Organisation (neun Prozent).
Im Klinikalltag konnten bei der Medikation Verwechslungen, Sich-Verhören, Sich-Verlesen/-Verrechnen, sowie fehlende Beschriftung bei Arzneimitteln als typische Risikosituationen identifiziert werden.
Es hat sich gezeigt, dass das eingesetzte Berichtssystem dabei helfen kann, kritische Ereignisse vor allem bei typischem Routinehandeln und bei schon lange praktizierten Standards aufzudecken. Weniger geeignet ist es, um komplexen Fehlerketten auf die Spur zu kommen bzw. organisatorische Mängel aufzudecken. Trotz dieser Einschränkung ist CIRS ein wirksames Instrument zur Verbesserung der Patientensicherheit, denn es kann den Übergang vom Fehler in den Schaden verhindern.
Die Mehrzahl der beteiligten Kliniken berichtet von einer positiven Veränderung auf den Stationen bei Ärzten und Pflegenden im Umgang mit Fehlern und Beinahe-Fehlern angesichts einer Meldemöglichkeit ohne Schuldzuweisungen und Sanktionen.
"Sicherheitskultur heißt für die AOK, dass wir einerseits unseren Versicherten bei Hinweisen auf Behandlungsfehler zur Seite stehen, aber gleichzeitig auch jede ernsthafte Bemühung von Seiten der Ärzte und Pflegenden, ihr Risiko-Management zu verbessern, unterstützen", betonte Dr. Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. "Im Sinne der Patienten fahren wir hier eine Doppelstrategie." Die AOK wird deshalb mit Blick auf den Krankenhaus-Wettbewerb der Zukunft verstärkt mit Partnern zusammenarbeiten, die sich nachhaltig auf dem Feld der Patientensicherheit engagieren.
"Das Projekt hat ganz praktisch gezeigt, wie man mehr Patientensicherheit erreichen kann. Gleichzeitig darf man sich nicht darüber hinweg täuschen, dass CIRS-Systeme noch nicht überall willkommen sind, und es braucht einen langen Atem, sie im hektischen Klinikalltag am Laufen zu halten", resümierte Prof. Dr. Dieter Hart vom IGMR die Erfahrungen als Leiter des Verbundprojekts.
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit hat eine Empfehlung zur Einführung von CIRS im Krankenhaus herausgegeben. "Ich bin sehr froh, dass das Thema Patientensicherheit in Deutschland mittlerweile seiner Bedeutung entsprechend eingeschätzt wird, denn es besteht - wie im Verbundprojekt gezeigt - enormer Handlungsbedarf", erklärte Prof. Dr. Matthias Schrappe, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt und Vorsitzender des Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.
Wie geht es nun weiter? Ein Teil der beteiligten Kliniken hat die Weiterführung des Projekts als Qualitätsziel beschlossen. Von der Holding Gesundheit Nord in Bremen ist zu hören, dass sie die Einführung des Risikoberichtssystems in den vier Kliniken ihres Unternehmens für die nächste Zukunft plant.
Weitere Materialien und Vorträge von dieser Veranstaltung stehen Ihnen im Internet unter www.aok-patientensicherheit.de zum kostenlosen Herunterladen zur Verfügung.
Der Hintergrund
In einem ersten Pilotprojekt mit Bremer Kinderkliniken wurde 2003/2004 zunächst ein Risikoberichtssystem (CIRS) zusammen mit Ärzten, Pflege und Qualitätsmanagement erprobt. Auf der Grundlage der dort gesammelten Erfahrungen konnte 2005 das Verbundprojekt mit zwölf Kinderkliniken in Bremen, Hamburg, Hannover und Kiel (später auch Berlin) starten. Rund 1.300 Berichte wurden während des Projektzeitraums auf den Stationen gesammelt und vom Institut für Gesundheits- und Medizinrecht (IGMR) analysiert sowie ausgewertet. Zusammen mit konkreten Vorschlägen zur Fehlervermeidung wurde das Klinikpersonal über die monatlichen Auswertungsergebnisse informiert, so dass ein kontinuierlicher Wissensaustausch stattfand. Ergänzt wurde diese intensive Kommunikation durch einen "Fall des Monats", der - in der Regel durch das IGMR mit medizinischen und rechtlichen Kommentaren versehen - als Beispiel diente. Vierteljährliche Treffen aller Beteiligten sorgten für eine anhaltende Motivation und förderten den intensiven Erfahrungsaustausch. Der AOK-Bundesverband hat das Projekt mit 300.000 Euro gefördert und fachlich begleitet.
Kontakt beim Institut für Gesundheits- und Medizinrecht (IGMR): Prof. Dr. Dieter Hart Universität Bremen, FB 6 Bibliotheksstraße 1 28359 Bremen Telefon 0421/218-3784 /-4073 hart@uni-bremen.de
Kontakt beim Aktionsbündnis Patientensicherheit: Prof. Dr. med. Matthias Schrappe Vorsitzender des Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. Generalbevollmächtigter des Aufsichtsrates Klinikum der Universität Frankfurt Theodor Stern Kai 7 60590 Frankfurt Tel.: 0163/5818-797 matthias.schrappe@kgu.de
Pressekontakt:
Prof.Dr.Dieter Hart
Institut für Gesundheits- und Medizinrecht (IGMR)
Tel.: 0421 218-3784
Gabriele Hauser-Allgaier
AOK-Bundesverband
Tel.: 030 340602-541
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