Gemeinsame Presseerklärung
Spitzenverbände der gesetzlichen
Krankenkassen: Qualitativ hochwertige Prävention auch beim Zahnarzt
fördern
Kassen fordern Reform der zahnärztlichen Vergütung
Berlin (ots)
In wesentlichen Bereichen passt die jetzige zahnärztliche Vergütungsstruktur nicht zum tatsächlichen Arbeitsaufwand der Zahnärzte und setzt falsche gesundheitspolitische Anreize durch eine zu niedrige Bewertung von zahnerhaltenden Leistungen. Zu hoch bewertet sind dagegen Zahnersatz-Leistungen. Dies ist das zentrale Ergebnis einer heute von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen in Berlin vorgestellten arbeitswissenschaftlichen Studie des Instituts für Funktionsanalyse (IFH). Bundesweit erfassten und verglichen die Wissenschaftler des Hamburger Instituts an 254 Erhebungstagen die Arbeitszeiten für 10.604 abrechenbare Leistungen in 51 zahnärztlichen, kieferchirurgischen und kieferorthopädischen Praxen.
Dr. Rolf Hoberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, erklärte, trotz der weltweit höchsten Ausgaben für die zahnärztliche Versorgung lasse die Zahngesundheit in Deutschland noch zu wünschen übrig. Neben Karies führten bei Erwachsenen vor allem Zahnfleischerkrankungen zu frühzeitigem Abbau des Zahnhalteapparates und damit zu Zahnverlusten.
Auf der Basis der vorgestellten arbeitswissenschaftlichen Studie wollen die Kassen nun die Struktur der zahnärztlichen Vergütung so verändern, dass beispielsweise Zahnfleischerkrankungen in einem möglichst frühen Stadium erkannt und behandelt werden. Die Studie zeige, dass die Behandlung verschiedener Formen von Zahnfleischerkrankungen überbewertet sei. Die derzeitigen Leistungen orientierten sich hier schon seit langem nicht mehr an den aktuellen zahnmedizinischen Erkenntnissen. Deutlich besser bewerten wollen die Kassen in Zukunft die sachgerechte Befundung einschließlich Therapieplanung und Dokumentation. Nach Ansicht der Krankenkassen ist für den Rückstand des mit den Vertragszahnärzten vereinbarten Leistungskatalogs primär die Selbstverwaltung der Zahnärzte verantwortlich. Die vom "Freien Verband Deutscher Zahnärzte" dominierte zahnärztliche Selbstverwaltung wolle durch eine Modernisierungsblockade die Leistungsansprüche der Versicherten gezielt aushöhlen, um dann für moderne Zahnmedizin direkt beim Patienten zu kassieren.
Dr. Werner Gerdelmann, Vorstandsmitglied des Verbandes der Angestellten-Ersatzkassen, erklärte, Ziel der Kassen bei der Reform der zahnärztlichen Vergütung sei es, einen modernen und qualitätsgesicherten Leistungskatalog zu vernünftigen Kosten zu bieten. Pro Arbeitsstunde erhalte der Zahnarzt für konservierend-chirurgische Leistungen im Durchschnitt 109,20 ¤, für kieferorthopädische Leistungen dagegen im Durchschnitt 206,40 ¤ bei einem Punktwert von 0,82 ¤ pro BEMA-Punkt. Diese enormen Verzerrungen müssten bereinigt werden. Daher gehe es darum, das bestehende Honorarvolumen neu zu verteilen.
Hoberg und Gerdelmann kritisierten die völlig konträren Reformvorstellungen vieler Zahnärztefunktionäre. Dort hänge man dem Irrglauben an, man könne noch glänzender verdienen, wenn es gelänge, die Leistungen für gesetzlich Krankenversicherte auf unbedeutende Reparaturleistungen und niedrige Festzuschüsse zu reduzieren, um dann moderne Zahnmedizin ohne jede Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskontrolle direkt mit dem Patienten zu Honorarsätzen von mehr als 200 Euro pro Arbeitsstunde überteuert abzurechnen. Auf der Umsetzung dieses Systemwechsels basiere auch das Design der Zahnärztestudien, welche von einer Umsetzung einer universitären Zahnmedizin in deutschen Zahnarztpraxen nach dem "Elfenbeinturmprinzip" ausgehen. Die reformierte Vergütungsstruktur soll dagegen nach Ansicht der Kassen die Leistungen der modernen Zahnmedizin in der solidarischen Krankenversicherung durch eine vollständige Neuverteilung der Mittel sichern und optimieren.
Bundesweit haben die gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2000 etwa 11,2 Milliarden Euro für die zahnärztliche Versorgung ausgegeben. Rechnet man die Eigenleistungen der Patienten hinzu, erzielten die rund 54.000 niedergelassenen Zahnärzte im Jahr 2000 einen Umsatz von etwa 18 Milliarden Euro. Mit dieser Summe dürften, so die Kassen, bei rund 220 Euro pro Kopf erneut die weltweit höchsten Ausgaben für die zahnmedizinische Behandlung erreicht werden. Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung der Spitzenverbände eine Debatte über unzureichende Finanzierungsgrundlagen in der GKV völlig verfehlt.
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