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AOK-Bundesverband zur EU-Dienstleistungsrichtlinie: Gesundheits- und Pflegebereich durch einen Artikel im Gesetzestext der Richtlinie explizit ausklammern

Bonn (ots)

Der AOK Bundesverband begrüßt grundsätzlich die
Ankündigung von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy, "health and
publicly funded services of general interest" (1) aus der geplanten
EU-Dienstleistungsrichtlinie auszuklammern. Allerdings werde genau
zu beachten sein, ob diese Ankündigung so im Gesetzestext der
Richtlinie umgesetzt wird, dass die jetzt bestehenden Kritikpunkte
zuverlässig ausgeräumt werden und damit die Ausnahmereglungen auch
vor dem Europäischen Gerichtshof bestehen können. Dazu müsse der
Gesundheitsbereich explizit durch einen entsprechenden Artikel im
Gesetzestext der Richtlinie ausgeklammert werden. Unklare
Ausnahmeregelungen, wie jetzt im Richtlinienvorschlag enthalten, und
unbestimmte ergänzende Erklärungen in Nebentexten könnten diese klare
Freistellung von den Wirkungen der Richtlinie nicht sicherstellen.
Bedauerlich sei auch, dass der Richtlinienvorschlag jetzt ohne die
angekündigten Änderungen in die erste Lesung durch das Europäische
Parlament gehen soll.
Nach Ansicht des AOK-Bundesverbandes steht der jetzt in erster
Lesung vom Europäischen Parlament zu beratende Entwurf einer
Dienstleistungsrichtlinie im Widerspruch zum EG-Vertrag und zum
Europäischen Verfassungsvertrag, weil er die nationale Souveränität
der Mitgliedsstaaten im Gesundheits- und Pflegebereich gefährdet und
überdies nicht für mehr Wettbewerb zugunsten von Qualität und
Wirtschaftlichkeit sorgt. Durch die Richtlinie werde in Deutschland
vielmehr Wettbewerb zu Lasten von Qualität und Wirtschaftlichkeit
programmiert, erklärte Dr. Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender
des AOK-Bundesverbandes. Weder die Verletzung der nationalen
Souveränität der Mitgliedstaaten im Gesundheits- und Pflegebereich
noch ein Wettbewerb zu Lasten von Qualität und Wirtschaftlichkeit
durch die Richtlinie dürfe zugelassen werden.
Ahrens betonte, dass die AOK sich entschieden dafür ausspreche,
durch mehr Wettbewerb gerade im Bereich der Leistungserbringer die
Qualität und Wirtschaftlichkeit im deutschen Gesundheitswesen zu
stärken und weiterzuentwickeln. Unterstützung durch die EU-Kommission
bei der Förderung und Stärkung eines derart zielgerichteten
Wettbewerbs würde die AOK sehr begrüßen.
Nach gründlicher Analyse des Richtlinienvorschlags müsse man
jedoch feststellen, dass die Umsetzung dieser Richtlinie zwar zu mehr
Wettbewerb führen würde, jedoch nicht zu einem Wettbewerb, der
geeignet wäre, die Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen in Deutschland zu fördern. Stattdessen würden
Qualität und Wettbewerb im deutschen Gesundheitswesen schwerwiegend
geschädigt, wenn der Vorschlag umgesetzt würde. Die Richtlinie
programmiere insgesamt so vielfältige und gravierende Fehlsteuerungen
des Wettbewerbs im Gesundheits- und Pflegesektor, dass diese nach
Überzeugung des Verwaltungsrates nicht durch Korrektur einzelner
Bestimmungen im Richtlinienvorschlag zu beheben sind. Auch
vorgesehene oder angekündigte Ausnahmeregelungen in einzelnen Punkten
seien nicht geeignet, die negativen Wettbewerbseffekte umzuwandeln in
für Wirtschaftlichkeit und Qualität positive Wettbewerbseffekte.
Daher spricht sich der AOK-Bundesverband nachdrücklich dafür aus, den
Gesundheits- und Pflegesektor aus dem Anwendungsbereich des
Richtlinienvorschlags durch einen Artikel im Gesetzestext der
Richtlinie explizit auszuklammern.
Ahrens wies darauf hin, dass der Richtlinienvorschlag vorschreibe,
dass alle nationalen Bestimmungen, die Genehmigungserfordernisse
enthalten, durch die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten auf
Diskriminierungsfreiheit, zwingende Notwendigkeit und
Verhältnismäßigkeit evaluiert werden. Damit schaffe sich die
EU-Kommission neue massive Zugriffs- bzw. Eingriffsmöglichkeiten auf
die deutschen Regelungen zur Zulassung und Bedarfsplanung im
Gesundheits- und Pflegesektor und auf die deutsche Regelung, dass
Kranken- und Pflegekassen nicht-gewinnorientierte Körperschaften des
öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung sein müssen. In der Folge
könne die EU-Kommission, unterstützt von einer auf diesen
Richtlinienvorschlag aufbauenden Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs, eine Deregulierung und Privatisierung der nationalen
gesetzlichen Gesundheitssysteme durchsetzen. Derartige Zugriffs- und
Eingriffsmöglichkeiten der EU-Kommission lehne die AOK daher
entschieden ab.
Der Richtlinienvorschlag sehe für die vorübergehende
Dienstleistungserbringung in einem anderen EU-Staat auch das
sogenannte Herkunftslandprinzip vor. Weil dies zum Unterlaufen der
deutschen Qualitätsstandards sowie zu einer wettbewerblichen
Benachteiligung deutscher Anbieter gegenüber ihren ausländischen
Mitbewerbern im deutschen Gesundheitswesen führen würde, was auch
durch die Ausnahmeregelungen der Richtlinie nicht ausgeschlossen
werden könne, lehnt die AOK die Einführung des Herkunftslandprinzips
im Gesundheits- und Pflegebereich entschieden ab.
Weiter kritisiert die AOK, dass der Richtlinienvorschlag
Regelungen für die Entsendung von Arbeitnehmern vorsieht, die mit den
bereits auf EU-Ebene bestehenden und in nationales Recht umgesetzten
Entsenderegelungen kollidieren. Die Meldepflicht und die Pflicht zur
Bereithaltung und Vorlage der Arbeits- und
Sozialversicherungsunterlagen gegenüber den zuständigen Behörden des
Aufnahmestaates müsse entgegen dem Richtlinienvorschlag
aufrechterhalten bleiben, um eine effiziente Kontrolle gemäß der
EU-Entsenderichtlinie gewährleisten zu können.
(1) Anmerkung: zitiert aus "Speaking note Conference of Presidents
- 03.03.2005". Wie dieser englische Originaltext ins Deutsche
übertragen wird, ist bereits von juristischer Relevanz. So ist
derzeit noch unklar, ob damit tatsächlich der Bereich aus der
Richtlinie ausgeklammert werden soll, der in Deutschland unter
"Gesundheitswesen inklusive Pflegedienstleistungen" verstanden wird.
Die ausführliche Stellungnahme des AOK-Bundesverbandes finden Sie
im Internet unter: www.aok-bv.de/politik/agenda

Pressekontakt:

AOK-Bundesverband
Pressestelle
Kortrijker Straße 1
53177 Bonn
Telefon 0228 843-309
Telefax 0228 843-507
Email: presse@bv.aok.de
Internet: www.aok-bv.de

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