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Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen: Ärzteproteste wirklichkeitsfremd

Bonn (ots)

Gemeinsame Presseerklärung
Arbeitsgemeinschaft
   der Spitzenverbände der Krankenkassen
AOK-Bundesverband, Bonn
   BKK Bundesverband, Essen
   Bundesverband der Innungskrankenkassen, Bergisch Gladbach
   See-Krankenkasse, Hamburg
   Bundesverband der landwirtschaftlichen Krankenkassen, Kassel
   Knappschaft, Bochum
   Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V., Siegburg
   AEV - Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V., Siegburg
Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen:
   Ärzteproteste wirklichkeitsfremd
Die angekündigten Protestaktionen von niedergelassenen Ärzten und
Krankenhausärzten gehen nach Ansicht der Spitzenverbände der
gesetzlichen Krankenkassen an der sozialen und wirtschaftlichen Lage
der Bevölkerung völlig vorbei.
Bei fast 5 Millionen Arbeitslosen und dadurch bedingten spürbaren
Beitragsausfällen bei den Krankenkassen und erheblichen
Mehrbelastungen der Kassenmitglieder durch Leistungskürzungen
(nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen von den Kassen
nicht mehr bezahlt werden), Zuzahlungsanhebungen und dem
Sonderbeitrag, den die Mitglieder extra bezahlen müssen, verkenne
diese Protestaktionen die ökonomische Realität und sei damit
wirklichkeitsfremd.
Für Ärzte könne es insgesamt nur dann mehr Geld geben, wenn auch
die Beitragszahler der Kassen wieder deutlich besser verdienen als
heute. Auch werde künftig durch mehr Wettbewerb die Vergütung von
Ärzten stärker an der Qualität der ärztlichen Leistung zu orientieren
sein, während heute gute, durchschnittliche und schlechte Leistung
unterschiedslos vergütet werde.
Berechtigt seien Proteste gegen problematische Arbeitsbedingungen
von Krankenhausärzten. Allerdings zeigten viele gut geführte
Krankenhäuser, dass man ohne Extraprämien von Seiten der
Beitragszahler der Krankenkassen durch eine bessere
Arbeitsorganisation und bessere Vergütungsstrukturen gute
Arbeitsbedingen für Ärzte und damit optimale Behandlungsbedingungen
für Patienten sicherstellen könne.
Klarmachen sollten sich die protestierenden Ärzte auch, dass ihr
jetzt beklagtes angeblich zu niedriges Einkommen von Beitragszahlern
stammt, die im Durchschnitt ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.210
EUR (26.520 EUR pro Jahr) haben. Dagegen verdiene ein
niedergelassener Allgemeinarzt in Westdeutschland nach Abzug aller
Betriebskosten für seine Praxis rund 82.000 EUR im Jahr allein mit
der Behandlung gesetzlich Krankenversicherter (Ost: 76.000 EUR/Jahr)
Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung 2003.
Während die Zahl der von den Kassen mit durchschnittlich rund
200.000 EUR pro Jahr Einnahmen ausgestatteten niedergelassenen Ärzte
allein vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2003 um 2.700 zunahm (Quelle:
Bundesarztregister), ging im gleichen Zeitraum die Anzahl der
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse um
1.130.000 zurück.
Eine aktuelle Studie zeigt: Die Medizin in Deutschland ist
leistungsstark und international führend. Dass dies trotz der
wirtschaftlichen Krisensituation gelte, sei eine zentrale Leistung
des deutschen Sozialversicherungssystems. In kaum einem anderen
Industrieland bekommen Ärzte deshalb von ihren Patientinnen und
Patienten so gute Noten wie in Deutschland. Denn sie fühlen sich von
ihrem Arzt gut behandelt. Damit dies so bleibt, sollten die Ärzte
nicht durch ihre Proteste und Geldforderungen das Vertrauen ihrer
Patienten verspielen.
Bei den Protestaktionen werde überdies eine Auswanderungswelle von
deutschen Ärzten angedroht und ein allgemeiner Versorgungsnotstand in
Deutschland prognostiziert.
Beides sei objektiv falsch. Tatsächlich sind bei insgesamt 304.000
in Deutschland tätigen Ärzten im Jahre 2004 nach Schätzungen der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung lediglich rund 12.000 aus den
unterschiedlichsten Gründen im Ausland tätig.
Dem Werben einiger westlicher Länder um deutsche Ärzte entsprechen
allerdings die Bemühungen um die Beschäftigung oder Ansiedlung
ausländischer Ärzte in Deutschland. Die Zahl der zugewanderten Ärzte
erhöhte sich zwischen 2000 und 2004 von 11.651 auf 14.781. Alles in
allem hat sich die Zahl der Ärzte in den letzten Jahren sehr stark
vergrößert.
Stärker noch als in den letzten 20 Jahren ist ärztliche Tätigkeit
in Deutschland ein attraktives Berufsziel; die Bewerberzahlen für ein
Medizinstudium erreichten in den vergangenen Jahren erneut
Höchststände. In den letzen Jahren hat sich das Verhältnis von
Bewerbern zu vorhandenen Studienplätzen noch einmal deutlich erhöht.
Im Jahre 2005 kamen auf einen Studienplatz im Durchschnitt 5,3
Bewerber; dies ist der höchste Ansturm auf Medizinstudienplätze seit
Anfang der 80er Jahre.
In Deutschland sind die Arztzahlen seit den 80er Jahren
kontinuierlich angestiegen. Während im Jahre 1992 auf 1000 Menschen
1,31 Vertragsärzte kamen, waren es im Jahre 2003 bereits 1,58. Mit
130.563 niedergelassenen Ärzten auf rund 83 Millionen Einwohner nimmt
Deutschland eine Spitzenreiterstellung im internationalen Vergleich
ein. Wegen der großen Arztdichte in Deutschland ist es auch kein
Zufall, dass in zahlreichen Regionen eine deutliche und sehr teure
Überversorgung im vertragsärztlichen Bereich besteht; dies gilt
insbesondere für viele Facharztgruppen (aber auch für Hausärzte). Die
überwiegende Zahl der Kreise und Städte ist deshalb für fachärztliche
Neuzulassungen gesperrt. Nimmt man beispielsweise die Versorgung mit
fachärztlichen Internisten im Jahr 2005 so zeigt sich, dass 99 %
aller deutschen Planungskreise überversorgt sind (absolut: 391 von
395).
Trotz der insgesamt sehr hohen Anzahl an Ärzten in Deutschland
gibt es wenig Anlass zur Zufriedenheit, denn die aktuelle
vertragsärztliche Versorgung in Deutschland ist auch durch erhebliche
Unterschiede in der Versorgungsdichte gekennzeichnet:
Vor allem die enorme Überversorgung bindet Mittel, die in den
ländlichen Regionen, die (hausärztlich) unterversorgt sind oder in
denen eine Unterversorgung in absehbarer Zeit droht, sinnvoll
eingesetzt werden könnten.
Das ist dringend notwendig. Denn allein die 598 Hausärzte, die in
den attraktiven Städten München, Hamburg und Berlin über die
Vollversorgung von 100 % hinaus tätig sind, binden Finanzmittel, die
beispielsweise in problematischen Regionen der neuen Bundesländer
gebraucht würden. In Deutschland gibt es nicht zu wenige Ärzte,
sondern sie sind schlecht über die Regionen verteilt.
Diese Pressemitteilung finden Sie auch im Internet unter 
www.gkv.info
Federführend für die Veröffentlichung:
AOK-Bundesverband
Kortrijker Straße 1
53177 Bonn
Telefon: 0228 843-309
Telefax: 0228 843-507
E-Mail:  presse@bv.aok.de

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