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Müntefering meldet sich mit Appell an Große Koalition und Bürger zurück

Hamburg (ots)

Der frühere Vizekanzler und Bundesarbeitsminister Franz Müntefering hat sich rund zwei Monate nach seinem Rücktritt mit einer Mahnung an die Große Koalition zurückgemeldet, ihrer Verantwortung für das Ganze gerecht zu werden, jenseits parteitaktischer Interessen. Müntefering verbindet dies mit einem Plädoyer gegen Politikverdrossenheit und einer Verteidigung der politischen Klasse.

In der ZEIT schreibt Müntefering, mit Globalisierung und demografischer Entwicklung werde es deutlich schwieriger, Wohlstand auf hohem Niveau für unser Land und Europa dauerhaft zu sichern. "Einfach weitermachen, reicht nicht." Und weiter: "Partei sein heißt auch Partei ergreifen. Wer seine Mehrheit bei der Wahl braucht - und das ist Demokratie-, der ist immer in der Versuchung, zunächst der Mehrheit, der von jetzt, Priorität zu geben, nicht zwingend dem Ganzen. Verständlich ist das, aber unzureichend. Wahltaktisch braucht man Unterschiede zwischen den Parteien. Politisch braucht man richtiges Handeln im Sinne der Verantwortung fürs Ganze - der schwierige Spagat der Demokratie, der nie definitiv aufgelöst sein wird."

Müntefering mahnt "Verantwortung fürs Ganze" an: "Für Parteien ist das nicht leicht, für Verbände und Organisationen aber offensichtlich noch schwieriger. Fürs Ganze, das heißt auch: Für morgen und übermorgen mitdenken und mithandeln. Nicht der Dominanz der Gegenwart erliegen...Beachten, dass Ökonomie und Ökologie und Soziales gleicherweise wichtig sind und abgestimmt sein müssen; keines gelingt ohne die anderen. Das menschenmögliche Maß an Sicherheit - es ist bescheiden genug - durch Wandel gewährleisten. Gerechtigkeit auch begreifen als Angebot gleicher Lebenschancen für jeden jungen Menschen. An die denken, die schwächer sind, die Gestrauchelten mitnehmen. Die Interessen derer beachten, die Minderheit sind", schreibt der frühere SPD-Vorsitzende.

Der ehemalige Vizekanzler verbindet seinen Appell an die politische Klasse mit dem Aufruf "Macht Politik!" und einer Verteidigung seines Berufsstandes. Perfekt seien Politiker nie. "Aber ich kann nach 20 Jahren Industriekaufmann und 42 Jahren mittendrin in der Politik doch sagen: Ich habe viele Politikerinnen und Politiker kennengelernt und kenne noch viele, die nah an dieses Berufsideal herankommen, die Politikmeister sind, um einen ehrenvollen, qualifizierten Titel aus dem Handwerk zu entleihen. Zynismus und Faulenzertum und Dilettantismus treffe ich hier selten und sicher nicht öfter als in anderen Teilen der Gesellschaft", so Müntefering.

Politikverdrossenheit habe einen Grund "in der objektiven Schwierigkeit, gute Politik zu machen, die allen gefallen kann, und in der persönlichen Begrenztheit von uns Politikern. Einen anderen - ich meine: tieferen - Grund hat sie in der Egozentrik vieler Einzelner, die sich vor der Verantwortung fürs Ganze drücken und auf Distanz bleiben zum politischen Handeln. Demokratie kann man aber nicht konsumieren, man muss sie aktiv leben. Die Verdrossenen sind an ihrer Verdrossenheit selbst mehr schuld als die Politik."

Pressekontakt:

Den kompletten ZEIT-Beitrag der ZEIT Nr. 4 vom 17. Januar 2008 senden
wir Ihnen gerne zu. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Elke
Bunse, DIE ZEIT Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (Tel.:
040/3280-217, Fax: 040/3280-558, E-Mail: bunse@zeit.de)

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