"Deutsch & PC" für Zuwandererkinder gibt Antwort auf PISA-Studie
Frankfurt am Main (ots)
* Zwischenbilanz des Modellprojekts der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und des Hessischen Kultusministeriums zeigt Erfolge
Durch besonders intensiven Sprachunterricht in der ersten Schulklasse können Zuwandererkinder ihre erheblichen Sprachdefizite deutlich verringern und den Anschluss an die Muttersprachler schaffen. Das ist das vorläufige Ergebnis des auf fünf Jahre angelegten Modellprojekts "Deutsch & PC", das die Gemeinnützige Hertie-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Kultusministerium zu Beginn des laufenden Schuljahres mit einem Budget von insgesamt 1,3 Mio. EUR an drei Grundschulen im Frankfurter Gallusviertel ins Leben gerufen hat. 60 Erstklässler mit unzureichenden Deutschkenntnissen werden seitdem in eigenen Fördergruppen parallel zum Klassenverband täglich zwei Stunden in den Fächern Deutsch und Mathematik unterrichtet. Dieser Unterricht wird durch den Einsatz von Lernprogrammen am PC ergänzt. Er zielt auf die Förderung der Sprach-, Lese- und Medienkompetenz der Zuwandererkinder.
Das Ergebnis nach dem ersten Jahr: das Projekt ist ein voller Erfolg. Alle Erstklässler der drei Projektschulen werden das Klassenziel erreichen, alle Kinder der Fördergruppen werden im kommenden Schuljahr in der Lage sein, dem regulären Unterricht zu folgen und sich aktiv zu beteiligen. Durch die individualisierte Förderung haben sich Sprachverständnis und Vokabular deutlich differenziert. Zugleich verleiht die zunehmende Kenntnis der deutschen Sprache den Schülern der Fördergruppen eine "Stimme" und Selbstsicherheit. Das fördert ihre Integration in das Klassengefüge. Diese Ergebnisse zeigen, dass "Deutsch & PC" richtige Antworten auf die in der PISA-Studie festgestellten Mängel bei der Integration von Zuwandererkindern in Deutschland gibt.
"Die mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache ist ein Haupthindernis für den schulischen Erfolg und die berufliche Karriere vieler Kinder aus zugewanderten Familien. Diese Hürde muss möglichst früh genommen werden", betont Hessens Kultusministerin Karin Wolff. Das frühzeitige Erlernen und Beherrschen der deutschen Sprache sei wichtigstes Integrationsmittel. Deshalb habe man das Schulgesetz geändert und die Zahl der Deutsch-Förderkurse um knapp 90 Prozent gesteigert. Wolff weiter: "Gerade die Verknüpfung von frühem Spracherwerb als Schwerpunkt des Projektes mit dem "Motivationsbeschleuniger" Computer für die ersten Schritte hin zu einer Medienkompetenz erscheint mir als Erfolgsrezept des Projektes."
Marlies Mosiek-Urbahn, Sprecherin der Geschäftsführung der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, ist vom Modellcharakter des Projekts überzeugt: "Wir freuen uns, dass wir als Stiftung in öffentlich-privater Partnerschaft mit dem Kultusministerium dieses innovative Projekt auf den Weg bringen können. "Deutsch & PC" kann zu einem wichtigen Anreiz für eine Lese- und Schreibkultur in einem visuellen Zeitalter der elektronischen Medien werden. Die Chance, dass das Projekt landesweit übernommen wird, entspricht unserem Selbstverständnis: Stiften heißt Anstiften."
Zu Beginn des Schuljahres sprachen viele der Zuwandererkinder nur in Drei-Wort-Sätzen, ohne jede Grammatik, unverständlich für die Lehrkräfte. Sie wirkten überwiegend zurückhaltend, wortkarg, müde und unbeteiligt. Den meisten fehlte der Wortschatz, um den Anweisungen ihrer Lehrerin folgen zu können oder einfache Verständnisfragen zu formulieren.
Seitdem haben die Zuwanderkinder ihren Wortschatz und ihre Grammatik stetig erweitert. Sie artikulieren ohne Scheu, erzählen unbefangen, verständlich und in ganzen Sätzen. Sie arbeiten hochmotiviert und konzentriert am Computer und haben sicher und flüssig lesen gelernt. "Stumme" Erstklässler sind nach Jahren erstmals aus dem Klassenbild verschwunden. Als besonders erfolgreich hat sich die intensive mündliche Spracharbeit erwiesen, z. B. der tägliche Erzählkreis, das Vorlesen durch die Lehrkraft oder der Einsatz von Reimen, Liedern und Rätseln. Auch das freie Schreiben am Computer und die PC-Lernprogramme haben zum Lernerfolg beigetragen. "Endlich müssen sich die Lehrkräfte nicht mehr mit gravierenden sprachlichen Mängeln zufrieden geben", so der für das Projekt verantwortliche Geschäftsführer der Stiftung, Dr. Roland Kaehlbrandt. "Falsch gebeugte Verben, falsche Fälle, geringer Wortschatz: Das alles wird jetzt früh bearbeitet und muss nicht mehr in höhere Klassen mitgeschleppt werden."
Die derzeitigen Fördergruppen werden auch im kommenden Schuljahr fortbestehen. In allen zweiten Klassen der drei Projektschulen wird dann das Fach Deutsch an fünf Wochenstunden parallel zum Klassenverband in den bewährten Kleingruppen unterrichtet.
Für die Lehrer an den drei Projektschulen Ackermann-, Günderrode- und Hellerhofschule im Frankfurter Gallus ist das Projekt besonders effektiv. Die Projektschulen haben die Förderung der Sprach- und Medienkompetenz inzwischen als zentrales Thema in ihre Schulkonzepte aufgenommen. Manfred Weiß, Schulleiter der Hellerhofschule: "Besonders in den Brennpunktschulen sowie in Schulen mit hohem Zuwandereranteil wird man sich den Wegfall dieses Projekts schon bald überhaupt nicht mehr vorstellen können."
Das Projekt "Deutsch & PC" ist Teil der Bildungsinitiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung für Zuwandererkinder und -jugendliche in Hessen. Ein weiteres Projekt dieser Initiative ist "START", ein Stipendienprogramm für begabte und engagierte Zuwandererkinder und -jugendliche in Hessen. Weitere Informationen unter www.ghst.de
Kontakt:
Claudia Finke
Information/Kommunikation
Gemeinnützige Hertie-Stiftung
Tel. 069/660 756 143
Ralf Hörnig
Pressesprecher
Hessisches Kultusministerium
Tel. 0611/368 2006
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