Schwäbische Zeitung: Symbolpolitik allein reicht nicht - Leitartikel zu Dortmund
Ravensburg (ots)
Die Polizei ermittelt in alle Richtungen. Hinter diesem banalen Satz steckt die schlimme Erkenntnis aus den Dortmunder Anschlägen: Der Wahnsinn ist Teil unseres Alltags geworden. Vom Axt-Attentäter im Zug bei Ansbach über den Lkw-Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt bis zum beinahe gesprengten Borussia-Bus. Längst ist klar, dass es keine Wohlfühloasen mehr gibt. Sich angesichts der unsicheren Weltlage damit zu trösten, am Abend entspannt wie eh und je zum Fußball oder zum Konzert zu gehen, ist passé.
Die Experten debattieren darüber, ob der Attentäter islamistisch motiviert oder vom IS ferngesteuert war. Dabei ist das egal: Dass Irre mit kruden Bekennerschreiben um die Urheberschaft der Angriffe wetteifern, zeigt, welche Wirkung die Attentate auf die westliche Welt haben: Die Saat der Gewalt ist aufgegangen, die Staaten wirken machtlos.
Natürlich darf man sich dem Terror nicht beugen, natürlich darf die Angst nicht siegen, natürlich muss den kranken Hirnen mit gesundem Menschenverstand begegnet werden. Dass die Partie direkt am Tag danach stattfinden musste, darf man dennoch für falsch halten. Es ist ein allzu schneller Übergang zur Normalität. Den Bürgern seit Jahren nach jedem Anschlag dieselben Weitermachen-Plattitüden aufzutischen, ist eh wenig hilfreich. Angemessener wäre, die Regierenden würden Maßnahmen benennen, die sie ergreifen.
Nicht jedes Trottoir in Deutschland kann überwacht werden. Dennoch muss schon im Kleinen alles getan werden, was in Sachen Sicherheit getan werden kann - von der Videoüberwachung über den Betonpoller bis zu härteren Kontrollen. Dass Frau Kraft und Herr de Maizière solidarisch im Stadion sitzen, ist nett. Besser wäre, sie würden mehr Geld für die überlastete Polizei bewilligen. Besser wäre, sie würden Gefährder konsequenter überwachen und abschieben. Symbolpolitik reicht nicht.
Zu hoffen, dass der Weltfrieden kommt und sich der Terror in Wohlgefallen auflöst, ist illusorisch. Um dies zu erkennen, genügt an diesem Mittwoch ein Blick nach Moskau.
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